Das vierte Opfer - Roman
gleichzeitig Polizist und verheiratet zu sein.
»Ob es möglich ist?«
»Ja.«
»Das ist eine alte Frage«, sagte Münster.
»Ich weiß«, erwiderte Beate Moerk. »Und – kannst du mir eine gute Antwort darauf geben, du bist doch schon eine ganze Weile in der Branche?«
Münster überlegte.
»Ja«, sagte er. »Es muß möglich sein.«
»So einfach ist das?«
»So einfach ist das.«
»Schön«, nickte Beate Moerk. »Da fällt mir ein Stein vom Herzen.«
Münster hustete und wünschte sich, ihm würde ein witziger Spruch einfallen. Beate Moerk betrachtete ihn.
»Vielleicht sollten wir das Thema wechseln?« fragte sie nach einer Weile.
»Ist vielleicht das sicherste«, stimmte Münster zu.
»Wollen wir uns meine privaten Überlegungen mal näher anschauen. Ich meine, die über den Henker.«
»Warum nicht?«
»Das heißt, wenn du nicht meinst, daß es schon zu spät ist.«
»Zu spät?« wiederholte Münster.
Das einzige, was sie daran hindert, mich zu verführen, das ist sie selbst, dachte er. Ich hoffe nur, sie ist stark genug, sonst möchte ich mir morgen früh nicht in die Augen gucken.
»Willst du noch Wein?«
»O nein«, sagte Münster. »Schwarzen Kaffee.«
27
»Melnik hat einen Gallenstein«, erklärte Kropke.
»Was hat er?« fragte Van Veeteren. »Übrigens, wundert mich gar nicht.«
»Deshalb verzögert der Bericht sich etwas«, erklärte Bausen. »Er hat aus dem Krankenhaus angerufen.«
»Hat er selbst angerufen?« wollte Van Veeteren wissen. »Nicht schlecht... nun ja, was machen wir also heute?«
Der Polizeichef seufzte.
»Das ist die Frage«, sagte er. »Ich nehme an, wir werden weitere Informationen sammeln. Bald hat sich jeder Kaalbringer Bürger zu diesem Fall geäußert. Keine schlechte Dokumentation. Vielleicht sollten wir versuchen, das Material an das Volkskundemuseum zu verkaufen, wenn wir fertig sind...«
»Wenn wir jemals fertig werden«, knurrte Kropke. »Wie läuft es mit der Axt?«
Van Veeteren legte eine Zigarette und einen Zahnstocher auf den Tisch.
»Schlecht«, sagte er. »Aber das ist wahrscheinlich auch egal. Ich glaube nicht, daß wir das Geschäft finden werden, in dem sie gekauft wurde, wenn sie solches Zeug überhaupt in Geschäften verkaufen. Und darauf zu bauen, daß sich irgendein Verkäufer nach zwölf, fünfzehn Jahren noch daran erinnert, wer damals eine Axt bei ihm gekauft hat – wenn es überhaupt
noch derselbe ist... nein, ich denke, wir sollten die Axtspur ruhen lassen.«
»Und Simmels Kinder?« wollte Inspektor Moerk wissen und schaute dabei von ihren Papieren auf.
»Haben nichts gebracht«, sagte Bausen. »Sie haben seit zehn Jahren keinen engeren Kontakt mehr zu ihren Eltern, weder sie noch er... Weihnachten und runde Geburtstage, das ist so ziemlich alles. Was wohl für sie spricht. Sie haben sie auch in Spanien nur ein einziges Mal besucht.«
Van Veeteren nickte und steckte den Zahnstocher ein. Kropke stand auf.
»Das wär’s dann wohl«, sagte er, »ich gehe in mein Büro und mach weiter. Oder hat der Chef etwas anderes für mich?«
Bausen zuckte mit den Schultern.
»Wir müssen einfach weiter dranbleiben«, sagte er und warf Van Veeteren einen Blick zu.
»Ja«, sagte Van Veeteren und zündete die Zigarette an. »Aber Trübsinn blasen, müssen wir deshalb noch lange nicht. Es geht schleppend voran, wir haben keine vernünftige Spur, keinen richtigen Verdacht, nur einen Sack voller Aussagen... aber früher oder später werden wir auf etwas stoßen. Wir müssen uns nur in Geduld fassen.«
Oder wir stoßen auf überhaupt nichts, dachte er.
»Hat Melnik gesagt, wann er mit dem Bericht fertig sein wird?« fragte Moerk.
»Nicht genau«, sagte Kropke. »In ein paar Tagen, glaubt er. Scheint ein ziemlich pingeliger Kerl zu sein...«
»Das kann man wohl sagen«, nickte Van Veeteren.
»Okay«, sagte Bausen. »Jetzt machen wir weiter mit... mit dem, was ihr gerade in den Fingern habt!«
Ja, was habe ich denn in den Fingern? dachte Münster.
Der Ort Kirkenau war nicht sehr groß. Ein Bahnhof und einige zusammengewürfelte Häuser in einer Talsenke unten am Fluß Geusse, der sich in der hügeligen und fruchtbaren Landschaft
zufällig zu einem langgestreckten See ausdehnte. Van Veeteren konnte weder Geschäfte noch ein Postamt oder eine Schule entdecken, und die düstere Steinkirche, die an der Straße lag, schien ebenso gottverlassen zu sein wie der Rest des Ortes.
Der Weg zum Seldoninstitut führte in die andere Richtung, aus
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