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Das vierte Opfer - Roman

Das vierte Opfer - Roman

Titel: Das vierte Opfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Ewigkeit und in der zeitlosen Finsternis... ja, Reinhart irrte sich, zweifellos. Es war ein Hemmschuh, dieses verfluchte Meer.
    Andererseits wuchs natürlich die Empfänglichkeit, das mußte er zugeben. Der Prozeß war in beide Richtungen offen, keine Begrenzungen, weder was die Impulse, noch was die Schlußfolgerungen betraf. Input und Output. Es galt nur, die Empfindungen und Eindrücke so lange zu erhalten, bis er sie genau geprüft hatte, und wenn auch nur einen Augenblick lang. Und der Fall? Der Henker? Was waren das für Empfindungen, die mit den warmen Winden heranwehten?
    Der Wind kam aus der falschen Richtung. Etwas stimmte da nicht. Er hatte schon seit geraumer Zeit dieses Gefühl, und jetzt wurde es mit jedem Schritt, den er hier draußen in dem stummen, festen Sand machte, deutlicher. Wenn er zurückdachte, begriff er auch, daß in dem Gespräch mit Beatrice Linckx etwas aufgetaucht war... Er erinnerte sich nicht mehr genau, was, hatte es auch damals nicht gemerkt. Es war nur eine Formulierung, etwas, das sie so nebenbei gesagt hatte, Worte, die in einer bestimmten Beziehung zueinander gestanden hatten, vielleicht. Eine ungewöhnliche Konstellation. Das genügte, damit er Witterung aufnahm.
    Und dann war da noch etwas, das Bausen bei der letzten Schachpartie gesagt hatte... der Polizeichef hatte einen Bauern vorgezogen und dadurch die Oberhand gewonnen, obwohl das genau der Zug gewesen war, den Van Veeteren vorausgesehen und sich erhofft hatte.
    Dann hatte er die Pfeife angezündet und etwas gesagt.

    Auch das lag wie im Nebel. Äußerst unklar, eine plötzliche Witterung, die sich ebenso schnell wieder verlor, wie sie gekommen war, die aber dennoch eine Kerbe ins Gedächtnis geritzt hatte.
    Mein Gott! dachte er und spuckte einen vollkommen zerkauten Zahnstocher aus. Was ist das nur für ein Gedankengewäsch? Welche Genauigkeit! So mußte sich das anfühlen, wenn der Alzheimer in voller Blüte stand.
    Obwohl – jetzt schlug er blitzschnell Brücken zwischen den Phantasien –, vielleicht war es andererseits gar kein deutliches Kennzeichen für Altersdemenz, daß das Gedächtnis nachließ. Im Gegenteil! Die Tore des Gedächtnisses standen weit offen und ließen alles herein. Ohne jede Unterscheidung. Alles.
    Wie das Meer. Wie die Wellen. Man mußte sich also nur entscheiden. Alles oder nichts.
    Wer war es also? Wer war der Henker? Wie lange mußte er sich hier draußen noch täuschen lassen, bis er den verfluchten Spötter endlich dingfest machen und die Handschellen bei ihm klicken lassen konnte. Welche Wortkonstellation hatte Beatrice Linckx unbedacht ausgesprochen? Was hatte Bausen gesagt?
    Und Laurids Reisin? Der saß irgendwo eingesperrt in seinem Haus und wog das Versprechen, das seine Frau ihm von der Polizei überbracht hatte, sorgfältig nach allen Seiten hin ab. Konnte man sich darauf verlassen? Was hatte er versprochen? Sechs, acht Tage? Wann war das gewesen? Hatte er nicht bereits die gestellte Grenze überschritten, wenn man es genau nahm?
    Bestimmt. Van Veeteren seufzte.
    Eine Joggerin, eine Frau in rotem Anzug, sprang plötzlich gut zwanzig Meter von ihm entfernt von der Esplanade hinunter auf den Strand. Das dunkle Haar war mit einem Band in der gleichen Farbe wie die Jacke hochgebunden... Sie lief weiter bis zum Wasser, zum festen Sand hin, bog dann nach Westen ab, und innerhalb weniger Sekunden hatte sich der Abstand
zwischen den beiden bereits verdoppelt. Sie kam ihm irgendwie bekannt vor, und er brauchte mehrere Minuten, bis er dahinterkam.
    Inspektorin Moerk, natürlich!
    Was hatte Bausen an jenem ersten Tag auf der Polizeiwache gesagt? Schönheit und Intuition? Irgendwas in dieser Richtung... jedenfalls war es etwas, was er unterschreiben konnte.
    Er seufzte und schob die Hände in die Taschen. Dabei stieß er auf das Zigarettenpäckchen und wog eine Weile das Für und Wider ab. Ach, was soll’s, beschloß er schließlich, und als er die Zigarette angezündet hatte, war Beate Moerk bereits in der Dunkelheit vor ihm verschwunden.
    Verschluckt.
    Die Dunkelheit, dachte er und nahm einen tiefen Lungenzug. Das einzige, was groß genug ist, ein Meer zu umschlingen.
    Kein dummer Gedanke. Er mußte daran denken, es bei Gelegenheit mit Reinhart zu diskutieren.
    Aber vielleicht ist das Meer ja noch größer, korrigierte er sich fast sofort. Bestimmt gibt es an einem anderen Strand einen Morgen. Es gibt immer einen anderen Strand.

30
    Sie stellte ihr Auto am üblichen Platz hinter der

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