Das vierte Opfer - Roman
Zigarette an und machte ein paar tiefe Lungenzüge.
Pro... o Scheiße, wie hieß vier auf lateinisch? War ja auch gleich.
Viertens: Was war das, was Moerk entdeckt hatte? Was nur?
Was verdammt noch mal war es, was sie gefunden hatte und das sonst niemand, nicht einmal er selbst bemerkt hatte? Wenn es sich nicht nur um Podworsky handelte. Aber je länger er darüber nachdachte, desto sicherer wurde er, daß es das nicht sein konnte. Er hatte den Bericht noch ein weiteres Mal gründlich studiert und nicht den geringsten Hinweis gefunden ... Bausen, Münster und Kropke auch nicht. Das war unbegreiflich. Bizarr.
Bizarr?
Und wohin war sie gefahren?
Überprüfen?
Was überprüfen?
Er schlug mit der Faust aufs Wasser und wunderte sich einen Moment lang über den geringen Widerstand. War sie so verflucht eigensinnig, daß sie sich allein in die Höhle des Mörders
begab? Direkt in seine Arme, wie irgend so eine Filmdetektivinnenmieze?
Das konnte er nicht glauben. Das war einfach nicht vorstellbar. Wenn es eine Person in dieser Polizeitruppe gab, zu der er Vertrauen gefaßt hatte, dann war es Inspektorin Moerk, nun ja, zu Bausen natürlich auch, das mußte er zugeben. Aber daß Beate Moerk sich darangemacht haben sollte...
Nein, er weigerte sich, das zu glauben.
Was blieb also?
Daß der Mörder Glück gehabt hatte?
Gut möglich.
Daß sie ihm schon früher auf der Spur gewesen war und er das gemerkt hatte? Sie heimlich beobachtet hatte?
Auch das war möglich. Münster hatte von Privatdetektivambitionen geredet ...
Er ließ die Zigarette in den Eimer fallen. Wer braucht schon einen Aschenbecher? dachte er.
Und wohin war sie gefahren?
Das war der Knackpunkt. Er nahm ein paar Oliven. Ungefähr zwischen fünf vor halb sieben und fünf, zehn nach sieben gestern abend war Beate Moerk mit ihrem roten Mazda vom See Wharf zum Parkplatz der Räucherei an der Esplanade gefahren. Irgendwo auf dem Weg hatte sie etwas Bizarres überprüft und dabei die Aufmerksamkeit des Mörders auf sich gelenkt.
Möge der rote Wagen auch die Aufmerksamkeit anderer auf sich gezogen haben, dachte Van Veeteren, das könnte was nützen. Aber dann müßte man das ganze Theater erst ankurbeln, erinnerte er sich.
Danach tauchte Laurids Reisin wieder in seinem Kopf auf – und Frau Reisin mit ihrem abgetragenen Mantel, und Frau Marnier, eine von Simmels Frauenbekanntschaften, die er an einem Nachmittag vor mehreren hundert Jahren befragt hatte, und ihm wurde klar, daß er einer weiteren Attacke von Überinformationen ausgesetzt war. Deshalb knipste er das Licht an und
beschloß, den Melnikbericht noch einmal durchzugehen. Und sei es nur als eine Art Gegengift.
Danach wartete ein Gespräch mit Münster in der Bar auf ihn.
Er mußte sich ja schließlich vergewissern, ob der Kommissar wirklich nach Hause zu Frau und Kindern wollte.
»Nicht nötig«, sagte Münster.
»Was ist nicht nötig? Und warum verflucht noch mal, sitzt der Herr Kommissar lächelnd da?«
Münster wendete den Kopf ab und hustete in die Hand.
»Entschuldige«, sagte er. »Aber Synn und die Kinder kommen morgen her. Sie hat vor einer halben Stunde angerufen.«
»Kommen hierher?« rief der Hauptkommissar und sah vollkommen verblüfft aus.
»Ja, sie hat von einer Freundin ein Ferienhaus bei Geelnackt gemietet ... das ist nur zehn Kilometer von hier. Ich ziehe morgen nachmittag dorthin.«
Van Veeteren dachte eine Weile nach.
»Münster«, sagte er. »Ich glaube, du hast eine wirklich tolle Frau erwischt.«
»Ich weiß«, sagte Münster und sah peinlich berührt aus.
Sie prosteten sich zu, und der Hauptkommissar winkte den Nachschub heran.
»Aber nur ein Kleines«, erklärte er. »Wie oft hast du den Melnikbericht gelesen?«
»Zweimal«, sagte Münster.
»Irgendwas gefunden?«
Münster schüttelte den Kopf.
»Was hältst du von dieser Bombengeschichte?« fragte er.
Van Veeteren zögerte eine Weile.
»Schwer zu sagen«, sagte er. »Mir will nicht ganz einleuchten, was so einer wie Heinz Eggers mit den baskischen Separatisten zu tun haben sollte ... ebensowenig wie die anderen. Wir müssen wohl abwarten, ob Bausen bis morgen irgendwas Neues herausgefunden hat. Was glaubst du?«
»Gar nichts«, sagte Münster. »Auf jeden Fall hoffe ich, daß ich um eine Reise an die Sonnenküste herumkomme, jetzt, wo ich meine Familie und alles hier habe.«
»Darauf hast du mein Wort«, sagte Van Veeteren. »Übrigens, wo ist denn Cruickshank? Ich dachte, das hier wäre
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