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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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falls mein eigener Fahrer einmal krank sein sollte.«
    »Nochmals vielen Dank, Genosse General. Ich werde es dem Fahrer Gregoriew bestellen.«
    Karpow legte auf. Fahrer Gregoriew. Nie gehört. Aber ein kleiner Schwatz mit dem Mann könnte nicht schaden.
    Am nächsten Morgen, dem 8. April, glitt die Akademik Komarow in den Clyde, da ihr Bestimmungshafen Glasgow war. In Greenock nahm sie den Lotsen und zwei Zollbeamte an Bord. Der Kapitän lud zum üblichen Glas in seiner Kajüte ein und legte die Papiere vor, wonach das Schiff aus Leningrad kam und nur tote Last führte, da es Zubehörteile für Hochleistungspumpen der Firma Cathcart abholen sollte. Die Zöllner überprüften die Mannschaftsliste, merkten sich jedoch keine einzelnen Namen. Später würde man feststellen, daß der Leichtmatrose Konstantin Semjonow auf dieser Liste aufgeführt war.
    Wenn ein sowjetischer Illegaler auf dem Seeweg in ein Land kommt, steht sein Name im allgemeinen nicht auf der Liste der Schiffsbesatzung. Er kauert in einem winzigen Verschlag, einem Raum, der so geschickt in den Schiffskörper eingefügt und so gut versteckt ist, daß ihn auch die gründlichste Suchmannschaft nicht finden würde. Wenn dieser Mann dann zufällig oder aus operativen Gründen nicht wieder mit demselben Schiff zurückfahren kann, entsteht keine Unstimmigkeit in der Besatzungsliste. Aber dies hier war ein Schnellschuß gewesen. Für Umdispositionen war keine Zeit geblieben.
    Der neue Matrose war mit den Männern aus Moskau erst in Leningrad eingetroffen, als die Komarow kurz vor dem Auslaufen zu ihrer termingebundenen Frachtfahrt nach Glasgow stand; dem Kapitän und dem zuständigen Polit-Offizier blieb nichts anderes übrig, als ihn auf die Mannschaftsliste zu setzen. Sein Seefahrtbuch war in Ordnung, und es hieß, er werde auch die Rückreise mitmachen.
    Trotz alledem hatte der Mann eine eigene Kajüte bezogen und die ganze Überfahrt darin zugebracht, während die beiden echten Matrosen, die diese Kajüte hatten räumen müssen, zu ihrer Erbitterung in Schlafsäcken auf dem Boden der Offiziersmesse nächtigen mußten. Als der schottische Lotse an Bord kam, waren diese Schlafsäcke weggeräumt. Drunten in seiner Kajüte wartete Kurier Nummer zwei aus verständlichen Gründen ungeduldig auf die Mitternacht.
    Als der Clyde-Lotse auf der Brücke der Komarow sein Frühstücksbrot kaute, während die Felder von Strathclyde vorüberglitten, war in Moskau schon Mittag. Karpow rief wieder die Fahrbereitschaft des KGB an. Wie er wußte, hatte jetzt ein anderer Dienstleiter Schicht.
    »Sieht aus, als kriegte mein Fahrer die Grippe«, sagte er. »Heute will er noch durchhalten, aber morgen gebe ich ihm frei.«
    »Ich werde dafür sorgen, daß Sie Ersatz bekommen, General.«
    »Ich möchte am liebsten den Fahrer Gregoriew. Ist er frei?« Man hörte Papier rascheln, als der Dienstleiter seine Listen durchsah.
    »Ja, Genosse General. Er war abkommandiert, ist aber wieder verfügbar.«
    »Gut. Er soll sich morgen früh um acht Uhr in meiner Moskauer Wohnung melden. Ich habe die Wagenschlüssel, und der Tschaika steht in der Tiefgarage.«
    Wird immer rätselhafter, dachte er, als er den Hörer auflegte. Gregoriew hatte also Philby eine Zeitlang herumfahren müssen. Warum? Weil es so viele und weite Fahrten waren, zuviel für Erita? Oder weil Erita nicht wissen durfte, wohin er fuhr? Und jetzt war der Fahrer wieder zurück. Was sollte das heißen? Vermutlich, daß Philby sich jetzt irgendwo aufhielt und keinen Fahrer mehr benötigte, zumindest nicht, bis die Operation, mit der er zu tun hatte, abgeschlossen sein würde.
    Am Abend teilte Karpow seinem dankbaren ständigen Fahrer mit, er könne den nächsten Tag freinehmen und seine Familie aufs Land kutschieren.
    Am selben Mittwochabend war Sir Nigel Irvine in Oxford mit einem Freund zum Dinner verabredet.
    Einer der Reize des Saint Anthony College in Oxford liegt darin, daß es, wie so viele einflußreiche englische Institutionen, für die Allgemeinheit gar nicht existiert.
    Natürlich existiert es sehr wohl, aber es ist so klein und unauffällig, daß jeder, der den Blick über die Haine Academias auf den Britischen Inseln schweifen ließe, es vermutlich übersehen würde. Das Studienhaus ist klein, elegant und versteckt; es bietet keine Lehrgänge an, bildet keine Studenten aus, hat keine Examenskandidaten und daher auch keine Examen, und verleiht keinen akademischen Grad. Es hat ein paar ständige Professoren und Fellows,

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