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Das vierte Protokoll

Das vierte Protokoll

Titel: Das vierte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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ziehen will, dann organisiert man eine Dauerentnahme, auf eigenen Namen oder auf den von Schützlingen. Swanton und der andere Mann gehörten zweifellos zu Harcourt-Smiths Gefolgsleuten.
    »Barry, verschaffen Sie sich Prestons Privatadresse. Und dann kommen Sie um siebzehn Uhr zu mir.«
    General Karpow saß an diesem Nachmittag in Jasjenewo an seinem Schreibtisch und rieb sich den steifen Nacken. Die Nacht war nicht sehr erholsam gewesen. Er hatte neben der schlafenden Ludmilla kaum ein Auge zugetan. Gegen Morgen war er zu einem Schluß gekommen, den auch weitere, tagsüber in den seltenen Arbeitspausen angestellte Überlegungen nicht mehr ändern konnten.
    Ganz zweifellos steckte der Generalsekretär hinter der geheimnisvollen Operation in England. Der Sowjetchef bildete sich zwar ein, Englisch in Wort und Schrift zu beherrschen, hatte aber keine Ahnung von dem Land. Sicher verließ er sich bei der ganzen Geschichte auf den Rat eines Englandkenners. Davon gab es die Menge - im Außenministerium, in der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees, im GRU und im KGB. Wenn er aber schon den KGB heraushielt, warum nicht auch die anderen?
    Also ein persönlicher Berater. Und je mehr Karpow nachdachte, desto mehr drängte sich ihm der Name seiner ganz speziellen bête noire auf. Vor Jahren, als er als junger Mann seinen Weg in der Dienststelle machte, hatte er Philby bewundert. Alle bewunderten ihn. Doch im Lauf der Zeit war Karpow aufgestiegen, während Philby abgefallen war. Er hatte beobachtet, wie aus dem englischen Renegaten ein versoffenes Wrack wurde. Seit 1951 war Philby nicht mehr an englische Geheimdokumente herangekommen, abgesehen von denen, die der KGB ihm zustellte. Er hatte Großbritannien 1955 verlassen, um nach Beirut zu gehen, und war seit seinem endgültigen Absprung 1963 nie wieder im Westen gewesen. Vierundzwanzig Jahre. Karpow schätzte, daß er jetzt der bessere Englandkenner war.
    Das war aber nicht alles. Er wußte, daß der Generalsekretär sich damals, als er noch beim KGB war, von Philby hatte beeindrucken lassen, von dessen altväterlichen Manieren und Neigungen, seiner Affektiertheit, die für einen englischen Gentleman typisch war, seinem Abscheu vor der modernen Welt voller Popmusik, Motorrädern und Bluejeans - alles Neigungen und Ansichten, die genau diejenigen des Generalsekretärs wider spiegelten. Des öfteren hatte der Generalsekretär, wie Karpow genau wußte, Philbys Rat eingeholt als eine Art Rückversicherung gegen den Rat, den ihm das Erste Hauptdirektorat gegeben hatte.
    Karpows Katalog verzeichnete außerdem noch eine äußerst interessante Bemerkung, die Philby einmal, nur ein einziges Mal, entschlüpft war. Er wolle wieder nach England zurück. Und schon allein darum hatte Karpow kein Vertrauen zu ihm. Nicht das geringste. Er erinnerte sich an das gefurchte lächelnde Gesicht ihm gegenüber bei dem Abendessen im Hause Kryutschows. Was hatte Philby da nur über England gesagt? Irgend etwas in der Richtung, daß dessen politische Stabilität von seiner, Karpows, Abteilung überschätzt werde?
    Die Teile begannen sich zusammenzufügen. Er beschloß, Mr. Harold Adrian Russell Philby unter die Lupe zu nehmen. Doch er wußte, daß selbst auf seiner Ebene nichts unbemerkt geschehen konnte; Entnahmen aus der Registratur, offizielle Gesuche um Auskünfte, Telefongespräche, Memoranden. Alles mußte inoffiziell, persönlich und vor allem mündlich vor sich gehen. Es war äußerst gefährlich, dem Generalsekretär in die Quere zu kommen.
    John Preston war auf dem Weg nach Hause, als er, nur noch hundert Yards von seiner Wohnung entfernt, seinen Namen rufen hörte. Er drehte sich um und sah, wie Barry Banks die Straße überquerte und auf ihn zukam.
    »Hallo, Barry. Die Welt ist klein. Was machen Sie denn hier?«
    Es war ihm bekannt, daß der Mann von K.7 im Norden in der Highgate-Gegend wohnte. Vielleicht ging er in ein Konzert in der nahe gelegenen Albert Hall.
    »Hab' auf Sie gewartet, ehrlich gesagt«, antwortete Banks mit einem freundlichen Lächeln. »Ein Kollege von mir hätte Sie gerne gesprochen. Kommen Sie mit?«
    Preston war überrascht, aber nicht argwöhnisch. Er wußte, daß Banks von »Sechs« war, hatte aber keine Ahnung, wer ihn sprechen wollte. Er ging mit Banks über die Straße und noch hundert Yards weiter. Banks blieb vor einem parkenden Ford Granada stehen, öffnete die hintere Türe und bedeutete Preston, hineinzuschauen. Was der tat.
    »Guten Abend, John.

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