Das vierte Protokoll
änderte die Lage nicht. Jeder dieser Pässe war überprüft, der jeweilige Inhaber bis auf die Haut durchsucht worden, und das Resultat blieb gleich Null. Drei Pässe waren aufgetaucht, die auf der Fahndungsliste standen; zwei der Paßinhaber waren Ausgewiesene, die wieder ins Land wollten, der dritte war eine amerikanische Unterweltfigur aus der Glücksspiel- und Drogenszene. Auch diese drei wurden gründlich durchsucht, ehe man sie ins nächste Flugzeug Richtung Heimat setzte, aber es fand sich nicht die Spur eines Hinweises, daß sie Kuriere im Dienste Moskaus gewesen sein könnten.
Wenn sie Leute aus westlichen Staaten benutzen oder bereits hier ansässige Illegale mit einwandfreien Papieren von Bürgern westlicher Staaten, dann werde ich nie fündig, dachte Preston.
Sir Nigel hatte wiederum auf seine langjährige Freundschaft mit Sir Bernard Hemmings gesetzt, um sich der Mitarbeit von »Fünf« zu versichern.
»Ich habe Gründe zu der Annahme, daß die Moskauer Zentrale versuchen wird, in den nächsten paar Wochen einen wichtigen Illegalen bei uns einzuschleusen«, hatte er gesagt. »Nur, Bernard, weiß ich weder, wer er ist, noch wie er aussieht und wo er einreisen wird. Jeden Hinweis, den Ihre Kontakte an den Einreiseorten uns geben könnten, wüßten wir sehr zu schätzen.«
Sir Bernard hatte das Ansuchen als einen Auftrag für »Fünf« akzeptiert, und die übrigen Behörden - Zoll, Einwanderung, Special Branch und Hafenpolizei - erklärten sich bereit, beide Augen offenzuhalten, für den Fall, daß ein Ausländer versuchen sollte, die Kontrollen zu umgehen oder daß in einem Gepäckstück irgendein mysteriöser Gegenstand auftauchte.
Die Erklärung war durchaus plausibel, und nicht einmal Brian Harcourt-Smith brachte sie mit John Prestons Bericht über die Poloniumscheibe in Verbindung, der noch immer in seinem »Unerledigt«-Korb lag, während er überlegte, was er damit anfangen solle.
Am 1. Mai kam der Wohnwagen in Dover an. Er hatte Nummernschilder der Bundesrepublik Deutschland und war mit der Fähre aus Calais gelandet. Besitzer und Fahrer, dessen Papiere tadellos in Ordnung waren, war Helmut Dorn, und mit ihm reisten seine Frau Lisa und zwei Kinder, der fünfjährige flachsblonde Uwe und die siebenjährige Brigitte.
Nach der Paßkontrolle fuhr der Wohnwagen auf die grüne Spur für Reisende, die nichts zu verzollen hatten, aber einer der wartenden Beamten hielt ihn an. Nach nochmaliger Prüfung aller Papiere wollte der Beamte einen Blick ins Wageninnere werfen. Herr Dorn machte keine Schwierigkeiten.
Die beiden Kinder spielten im Wohnteil und hörten auf, als der uniformierte Zollbeamte eintrat. Er nickte und lächelte ihnen zu; sie kicherten. Er sah sich in dem sauberen und ordentlichen Raum um, dann fing er an, die Schränke zu öffnen. Falls Herr Dorn nervös war, verbarg er es gut.
Die meisten Schränke enthielten die übliche Ausrüstung einer Familie auf Campingurlaub: Kleider, Kochgeschirr und so weiter. Der Zollbeamte klappte die Banksitze hoch, unter denen sich Truhen als zusätzlicher Aufbewahrungsraum befanden. Eine davon war offensichtlich die Spieltruhe der Kinder. Sie enthielt zwei Puppen, einen Teddybären und eine Sammlung leuchtend bunter weicher Gummibälle mit großen grellen Bildern.
Das kleine Mädchen hatte alle Schüchternheit abgelegt und holte eine der Puppen heraus. Das Kind plapperte aufgeregt auf deutsch auf den Zollbeamten ein. Er verstand sie nicht, aber er nickte und lächelte.
»Very nice, love«, sagte er. Dann trat er aus der Hintertür und wandte sich an Herrn Dorn.
»In Ordnung, Sir. Schönen Urlaub.«
Der Wohnwagen rollte aus dem Schuppen zur Straße in Richtung Dover und der Autobahnen nach Kent und London.
»Gott sei Dank«, flüsterte Dorn seiner Frau zu. »Wir sind durch.«
Sie beugte sich über die Landkarte, die nicht schwierig zu lesen war. Die M20 nach London war so deutlich eingezeichnet, daß man sie unmöglich verfehlen konnte. Dorn sah mehrmals auf die Uhr. Er hatte ein bißchen Verspätung, aber die Anweisung hatte gelautet, er dürfe unter keinen Umständen die Geschwindigkeitsbegrenzung überschreiten.
Sie fanden ohne Schwierigkeit das Dorf Charing links der Hauptstraße und ein Stück weiter nördlich das Rasthaus Happy Eater. Dorn bog auf den Parkplatz ein und hielt an. Lisa Dorn holte die Kinder aus dem Wagen und führte sie zu einem Imbiß ins Café. Dorn öffnete weisungsgemäß die Motorhaube und steckte den Kopf darunter. Ein
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