Das vierte Protokoll
Pazifisten: Wehrdienstverweigerer, Kleriker, Quäker, Studenten, prosowjetische Marxisten-Leninisten, antisowjetische Trotzkisten, Hochschullehrer und Labouraktivisten, mit einer Beimischung von Arbeitslosen, Punks, Schwulen und bärtigen Naturschützern. Dazu noch Hunderte von gleicherweise betroffenen Hausfrauen, Arbeitern, Lehrern und Schulkindern.
An beiden Straßenseiten bildeten die ortsansässigen Protestlerinnen ein Ehrenspalier. Die meisten von ihnen hielten Plakate, Transparente und Wimpel hoch. Einige kurz geschorene und Anorak tragende Damen hielten Händchen mit ihren jüngeren Freundinnen oder beklatschten die Marschierer. Die Kolonne wurde angeführt von zwei Polizisten auf Motorrädern.
Um fünf Uhr fünfzehn hatte Valeri Petrofski Thetford verlassen und fuhr wie immer gemächlich südwärts zur Hauptstraße nach Ipswich und nach Hause. Er war die ganze Nacht unterwegs gewesen und daher müde. Doch seine Botschaft mußte spätestens um drei Uhr dreißig gesendet worden sein, und Moskau wußte nun, daß alle Vorarbeiten erledigt waren.
Er fuhr bei Euston Hall über die Grafschaftsgrenze nach Suffolk und bemerkte einen Streifenpolizisten am Straßenrand auf seiner Maschine. Was hatte der hier um diese Zeit zu suchen? Petrofski war in den vergangenen Monaten diese Straße oft gefahren, und nie hatte er einen Streifenpolizisten gesehen.
Eine Meile weiter in Little Fakenham schalteten alle seine animalischen Sinne auf höchste Alarmstufe. Zwei weiße RoverPolizeiwagen parkten am Nordende des Dorfes. Neben ihnen stand eine Gruppe von höheren Polizeibeamten, die sich mit zwei weiteren Streifenpolizisten berieten. Sie sahen auf, als er vorbeifuhr, machten aber keine Anstalten, ihn anzuhalten.
Die Anstalten kamen später in Ixworth Thorpe. Er hatte gerade das Dorf hinter sich und näherte sich der Kirche, als er das Motorrad am Zaun lehnen sah und den Streifenpolizisten mitten auf der Straße, mit erhobenem Arm, um ihn anzuhalten. Er verlangsamte, und seine Hand fuhr in die Kartentasche, in der unter dem zusammengerollten Pullover die finnische Automatic steckte.
Wenn es eine Falle war, dann war er geliefert. Doch der Polizist schien allein zu sein. Niemand stand in der Nähe mit dem Funkgerät am Mund. Er hielt. Die hohe Gestalt in Schwarz schlenderte zum Fahrerfenster und beugte sich herab. Petrofski sah sich einem pausbäckigen Gesicht gegenüber, auf dem er keine Spur von Arglist entdecken konnte.
»Dürfte ich Sie bitten, an den Straßenrand zu fahren, Sir? Hier direkt vor der Kirche. Dann kann Ihnen nichts passieren.«
Es war also eine Falle. Die Drohung war kaum verschleiert. Doch warum war niemand anderer in der Nähe?
»Was ist denn los, Officer?«
»Die Straße dürfte ein bißchen weiter draußen blockiert sein, Sir. Wir werden sie gleich freikriegen.«
Wahrheit oder Trick? Da lag vielleicht wirklich ein umgestürzter Traktor irgendwo. Er gab den Gedanken, den Polizisten zu erschießen und dann abzuhauen, wieder auf. Er nickte, legte den Gang ein und fuhr den Wagen zum Parkstreifen vor der Kirche. Dann wartete er. Im Rückspiegel konnte er beobachten, daß der Polizist nicht mehr von ihm Notiz nahm, sondern eine andere Limousine in denselben Parkstreifen einwies. Das könnte es sein, dachte er. Spionageabwehr. Doch in dem anderen Wagen saß nur ein einziger Mann. Er stoppte hinter ihm und stieg aus.
»Was ist denn los?« rief der Mann zum Polizisten hinüber. Petrofski konnte sie durch das offene Fenster hören.
»Harn Sie's nicht mitgekriegt, Sir? Die Demonstration. Is in allen Zeitungen gewesen. Und im Fernsehen.«
»Verdammt«, sagte der andere Fahrer, »war mir nicht klar, daß es diese Straße war. Und um diese Zeit.«
»Sie werden bald vorbeisein«, sagte der Polizist tröstend. »Knappe Stunde.«
In diesem Augenblick kam die Spitze der Kolonne an der Biegung in Sicht. Petrofski betrachtete die Wimpel in der Ferne und hörte voll Ekel und Verachtung die schwachen Schreie. Er stieg aus, um sich die Sache anzusehen.
Der geteerte Platz mit seinen dreißig abschließbaren Garagen begann sich allmählich zu bevölkern. Einige Minuten nach der Entdeckung der leeren Garage hatte Preston den zweiten Wagen mit Barney zum Polizeirevier geschickt und um Unterstützung ersucht. Das Revier war um diese Zeit mit einem diensthabenden Constable besetzt, der im Vorderzimmer saß, und mit einem Sergeant, der im Hinterzimmer seinen Tee trank.
Gleichzeitig hatte Preston über Polizeifunk London
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