Das vierte Protokoll
Parkplatz.
»Wohin, Captain?« fragte er. Viljoen gab die Frage durch einen Blick an Preston weiter.
»Zur Eisenbahndirektion«, sagte Preston. »Genauer, zum Verwaltungsgebäude.«
Der Fahrer nickte und startete den Wagen. Der Bahnhof von East London, eine moderne Anlage, ist an der Fleet Street, und direkt gegenüber steht ein ziemlich schäbiger Komplex eingeschoßiger Gebäude in Grün und Cremefarbe, die Verwaltungsbüros.
Dort verschaffte ihnen Viljoens Sesam-öffne-dich-Karte sogleich Zugang beim Leiter der Finanzabteilung. Er hörte sich Prestons Wünsche an.
»Ja, wir zahlen Pensionen an alle ehemaligen Eisenbahner, die noch hier wohnen«, sagte er. »Wie war der Name?«
»Brandt«, sagte Preston. »Den Vornamen weiß ich leider nicht. Aber er war früher Rangierer.«
Der Direktor ließ einen Mitarbeiter kommen, und alle vier marschierten schmutzige Korridore entlang bis zur Registratur. Der Mitarbeiter suchte eine Weile herum und brachte schließlich einen Pensionszettel zum Vorschein.
»Hier ist er«, sagte er. »Der einzige, den wir haben. Vor drei Jahren pensioniert. Koos Brandt.«
»Wie alt ist er jetzt?« fragte Preston.
»Dreiundsechzig«, sagte der Mitarbeiter nach einem Blick auf die Karte. Preston schüttelte den Kopf. Wenn Frikki Brandt etwa gleichaltrig war mit Jan Marais und sein Vater ungefähr dreißig Jahre älter, dann müßte der Mann jetzt über neunzig sein.
»Der Mann, den ich suche, ist jetzt ungefähr neunzig«, sagte er.
Der Direktor und sein Mitarbeiter waren nicht zu beirren. Es gab keinen weiteren Brandt, der im Ruhestand lebte.
»Könnten Sie mir dann«, bat Preston, »die drei ältesten Pensionisten heraussuchen, die noch am Leben sind und ihre wöchentliche Rente beziehen?«
»Die Pensionisten sind nicht dem Alter nach aufgeführt«, protestierte der Mitarbeiter, »sie sind alphabetisch geordnet.«
Viljoen nahm den Direktor beiseite und redete leise auf afrikaans mit ihm. Was immer der Captain gesagt haben mochte, es tat seine Wirkung. Der Direktor schien beeindruckt. »Machen Sie sich an die Arbeit«, befahl er dem Angestellten. »Einen nach dem anderen. Jeden, der vor 1910 geboren ist. Wir sind in meinem Büro.«
Es dauerte eine Stunde. Dann kam der Mitarbeiter mit drei Pensionskarten zurück.
»Einer ist neunzig«, erklärte er, »aber er war Gepäckträger im Bahnhof. Einer achtzig, früherer Reinigungsmann. Und der da ist einundachtzig. Ehemaliger Rangierer im Verschiebebahnhof.«
Der Mann hieß Fourie und wohnte irgendwo droben in Quigney.
Zehn Minuten später fuhren Preston und Viljoen durch Quigney, das alte Viertel von East London, das in den frühen dreißiger Jahren entstanden war. Einige der bescheidenen Häuschen waren »überholt« worden; andere waren schäbig und verwahrlost, die Häuser armer weißer Arbeiter. Von der dahinterliegenden Moore Street konnte man den Lärm der Eisenbahn-Reparaturwerkstätten und des Verschiebebahnhofs hören, wo die langen Güterzüge zusammengestellt werden, die Fracht von den Docks über Pietermaritzburg hinauf ins Binnenland Transvaal brachten. Sie fanden das Haus in einer Seitenstraße der Moore Street.
Eine alte Negerin öffnete ihnen die Tür, das Gesicht verschrumpelt wie eine Walnuß, das weiße Haar zu einem Dutt gerafft. Viljoen sprach Afrikaans zu ihr. Die alte Frau deutete in die Ferne und murmelte etwas, bevor sie energisch die Tür wieder schloß. Viljoen ging mit Preston zum Wagen zurück.
»Sie sagt, er ist drüben im Institut«, sagte Viljoen zum Fahrer. »Wissen Sie, was sie meint?«
»Ja, Sir. Hieß früher so. Jetzt heißt es Turnbull Park. In der Peterson Street. Freizeit- und Erholungsclub für Eisenbahner.«
Es war ein sehr großes ebenerdiges Gebäude in einem ummauerten Parkplatz, nebenan lagen drei Bowlingbahnen. Preston und Viljoen betraten das Haus, gingen an einer Reihe von Billardtischen und Fernsehnischen vorbei, bis sie an eine gutbesuchte Theke gelangten. »Papa Fourie?« sagte der Barmann, »klar, der ist draußen und schaut beim Bowling zu.«
Sie fanden den alten Mann an einer der Bahnen, wo er, ein Glas Bier in der Hand, in der warmen Herbstsonne saß. Preston stellte seine Frage. Der alte Mann starrte ihn eine Weile an, ehe er nickte.
»Ja, ich kann mich an Joe Brandt erinnern. Is aber schon lang tot.«
»Er hatte einen Sohn, Frederik oder Frikki.«
»Stimmt. Lieber Himmel, junger Mann, da muß ich aber weit zurückdenken. Netter Junge. Is manchmal nach der Schule in
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