Das Vigilante Prinzip (German Edition)
sie wahrscheinlich die Tatwaffe gefunden hatten. Ein blutverschmiertes Messer, das in den Beeten neben dem Hauseingang lag.
»Fingerabdrücke?«, fragte der Detective.
»Keine sichtbaren«, sagte ein Mann in Regenjacke, auf deren Rücken die gelben Buchstaben C.S.U. prangten. »Vielleicht bekommen wir im Labor was heraus. Ich mache mich sofort auf den Weg.«
Der Detective räusperte sich. »Sind Sie deswegen hier? Weil Dessler im Pentagon gejobbt hat?«
Vigilante blickte von der Leiche hoch zu dem Polizisten und schüttelte den Kopf. Wortlos ließ er den Mann stehen und verließ das Haus. Er wusste, dass die Spurensicherung keine brauchbaren Hinweise liefern würde. Tatsächlich war die einzige Verbindung zu dem Toten die Tatsache, dass ein Anruf Kanes an den Stabschef von Dessler durchgestellt worden war.
Vigilante bestellte den von Madame Dunoire ausfindig gemachten Hacker per SMS in ein Café in der Center Street, Ecke Maple Avenue im Stadtteil Vienna. Zuvor wollte er Dunoires Kontaktmann zum Pentagon treffen und verabredete sich telefonisch mit dem Mann im Town Park, ebenfalls in Vienna. Als Vigilante dort eintraf, saß sein Kontakt bereits mit einer Tüte Brotkrumen auf einer Bank nahe eines Teiches und fütterte ein paar Enten. Er setzte sich zu ihm.
»Wir haben telefoniert.«
»Ja, ich weiß. Madame hat Sie mir gut genug beschrieben, Mister.«
»Vigilante.«
»Oh, Ihren Namen wollte ich jetzt nicht hören. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich Ihnen meinen nicht nenne.«
Vigilante sah den Mann an. Er mochte Mitte fünfzig sein, hatte schütteres Haar und einen Vollbart. Eine Narbe verlief von seinem rechten Mundwinkel bis zur Wange hinauf und wurde nur teilweise durch die Barthaare versteckt. Die Augen waren wässrig und die Nase gerötet, was auf Alkohol- oder Drogenkonsum schließen ließ.
Oder auf eine Erkältung oder eine Allergie , dachte Vigilante. Werd’ jetzt nicht paranoid.
»Wie soll ich Sie anreden, Sir?«, fragte er.
»Wie klingt Mister X?«
Vigilante lachte. »Zu klischeehaft.«
»Nennen Sie mich Gilmore. So hieß mein Hund.«
Der Mann sah alles andere als nach Happy Gilmore aus, aber Vigilante würde ihm den Gefallen tun. Er beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und faltete die Finger ineinander. »Madame sagte, Sie könnten mir Informationen aus dem Fünfeck besorgen. Arbeiten Sie dort?«
Gilmore hustete und warf die letzten Krumen den Enten zu. »Ich … habe Kontakte. Was müssen Sie wissen?«
»Die NSA ist dem Verteidigungsministerium unterstellt. Ich brauche Daten über ein Projekt, bei dem es um Spionageprogramme, sagen wir einen Virus oder einen Computerwurm geht, der sich über Mobilfunknetzwerke ausbreitet und gegnerische Netze infiltriert.«
Vigilante entging nicht, dass Gilmore bei seinen Worten merklich zusammenzuckte. Der Mann blickte ihn von der Seite an, als hätte er ein Gespenst gesehen oder würde an seinem Verstand zweifeln.
»Des Weiteren muss ich wissen, ob das Pentagon über Aufzeichnungen eines Dr. Judas Kane verfügt.«
»Ich wäre froh, wenn wir den ersten Teil weglassen könnten,« sagte Gilmore und hustete erneut.
»Wäre ich auch. Kommen Sie da dran?«
»Werd’s versuchen. Sonst noch etwas?«
»In der Telefonzentrale arbeitete ein Eric Dessler.« Vigilante wartete auf eine Reaktion, doch sein Sitznachbar sah ihn nur an. »Ich brauche eine Liste sämtlicher Telefonate, die er vor drei Tagen entgegengenommen und geführt hat. Die Gespräche werden doch aufgezeichnet, oder?«
Der Mann nickte. »Werden sie.«
»Das wäre es für’s erste.«
»Nicht ganz«, sagte Gilmore. »Wir müssten uns noch über das Finanzielle einig werden.«
Vigilante griff in seine Jackeninnentasche und förderte einen Briefumschlag zu Tage, den er dem Mann hinstreckte. Als dieser ihn ergriff, öffnete und einen Blick hinein warf, sog er scharf die Luft zwischen die Zähne ein.
»Ich beeile mich«, versprach er und setzte sich mit einem Ruck auf.
Vigilante sah ihm hinterher und wartete, bis er außer Sichtweite war. Dann blickte er auf seine Uhr. Es wurde höchste Zeit für das Treffen mit dem Computerspezialisten.
Nur knapp neun Minuten darauf betrat Vigilante das Café und schaute sich von der Eingangstür aus um. Der Laden war halbvoll, dennoch entdeckte er seinen Kontaktmann im hinteren Teil nahe des Tresens. Schulterlanges, fettiges Haar. Eine Jeansjacke. Dreitagebart. Streuner oder Hacker. Vigilante steuerte zielstrebig auf ihn zu und
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