Das Vigilante Prinzip (German Edition)
hatte ohnehin mit dem Gedanken gespielt, sich Brandy einzuschenken, auch wenn er bei seinem Vorhaben besser einen kühlen Kopf behielt.
Judas Kane beugte sich über eine der drei Tastaturen, die sich vor ihm auf dem Schreibtisch befanden. An der Wand vor dem Tisch hingen vier LCD-Displays unterschiedlicher Größe. Eines zeigte das Bild einer Überwachungskamera vor seiner Haustür. Ein anderes eine Satellitenaufnahme aus einem geostationären Orbit. Das dritte Aktienkurse und ein geöffnetes E-Mail Fenster. Der vierte Schirm wurde von der Login-Maske einer US-Behörde verziert. Kane widmete sich diesem Display, faltete die Finger ineinander und bog sie kräftig durch, worauf ein hartes Knacken erklang. Dann jagten seine Finger über die Tasten. Binnen einer Sekunde befand er sich in der behördlichen Datenbank.
Wer bisher nach einem Dr. Judas Kane googelte oder versuchte Strafregisterauszüge oder Führerscheinmeldungen zu beschaffen, wurde bitter enttäuscht. Für die öffentliche Welt existierte er nicht. Kane grinste. Bis heute.
»Dann wollen wir mal schauen.«
Kalifornien. Fahrlizenz. Kane, Judas.
Er tippte wie ein Besessener auf der Tastatur und hämmerte die Daten ein. Zum Schluss fügte er ein Foto eines wahllos ausgesuchten Facebook-Profils hinzu.
»Perfekt.«
Texas. Fahrlizenz. Kane, Judas. Doktor.
Die gleiche Prozedur.
New York.
Illinois.
Oklahoma.
Nach knapp zwei Stunden existierten innerhalb der Vereinigten Staaten achtzehn Personen mit dem Namen Judas Kane mit unterschiedlichen, aber ähnlichen Geburtsdaten und Körpergrößen. Die Passbilder für die Führerscheinlizenzen wählte Kane weiterhin aus öffentlichen Profilen sozialer Netzwerke aus oder über die Suchmaschinenbildersuche.
Als er fertig war, schenkte er sich einen Brandy ein und genoss das rauchige Aroma auf seinem Gaumen, während er die nächsten Schritte überlegte. Als nur noch ein Rest auf dem Boden des Glases schimmerte, hatte Kane einige Profile mit seinem Namen und wiederum falscher Fotos in soziale Netzwerke integriert. Er strickte aus einem Baukasten zwei Webseiten, eine, die sich mit EDV im Allgemeinen beschäftigte, eine, in die er Informationen von der Internetpräsenz eines Pharmakonzerns kopierte. Er meldete sich bei Twitter und drei Blogdiensten an und fütterte die Seiten wiederum von anderen Onlinetagebüchern mit Inhalt.
Vor einigen Stunden war Judas Kane ein Name gewesen, der in geheimen US-Regierungskreisen nur hinter vorgehaltener Hand geflüstert wurde. Jetzt waren Dutzende Namensvettern im Web zu finden.
»Phase zwei abgeschlossen«, sagte er und leerte das Brandyglas. Wer immer nach ihm suchte, würde es jetzt verdammt schwer haben.
*
Wenn er an einem Auftrag arbeitete, hielt sich Mark J. Vigilante hauptsächlich in seinem Washingtoner Apartment auf. Die Wohnung war spartanisch eingerichtet, versorgte ihn jedoch mit allem, was er zum Leben und Schlafen und für seine Arbeit benötigte. Er traute nicht einmal Madame Dunoire zu, dass sie unter Folter seinen Hauptwohnsitz in den Bergen Montanas für sich behalten würde, daher wusste auch sie nichts von der Hütte, die er dort sein Heim nannte.
Eine Stunde nach seiner Rückkehr nach Washington hatte er bereits ein halbes Dutzend Telefonate geführt und von seinen alten Kontakten beim FBI und dem NCIS erfahren, dass ein gewisser Dr. Judas Kane in keinem Eintrag ihrer Datenbanken erwähnt wurde. Die Informationen bekam er etwa eine Viertelstunde bevor Kane seine Scheinidentitäten bei den Fahrlizenzbehörden platzierte.
Vigilante saß beim dritten Bud Light und schob die Reste einer Thunfischpizza beiseite, die ihm von Calderone's Pizza und Pasta zwischendurch geliefert worden war, beiseite. Er wartete noch auf eine Rückmeldung aus dem Pentagon. Den Kontakt hatte er allerdings nicht selbst hergestellt, sondern er lief über Madame Dunoires Beziehungen.
Sein Telefon klingelte. Er blickte auf das Display und sah die Nummer von Special Agent Cole Snipes vom NCIS. Vigilante hatte ihn während Ermittlungen beim Secret Service kennengelernt. Seinerzeit war ein US-Marine in ein potenzielles Attentat auf den Präsidenten verwickelt gewesen. Seither trafen sie sich sporadisch auf ein Bier. Allerdings war der Kontakt nach Vigilantes Entlassung aus dem Staatsdienst eher eingeschlafen.
»Cole, vielleicht hätte ich fragen sollen, ob ich mich für deine Auskunft mit einem Bier revanchieren kann.«
»So viel war die Auskunft nicht wert, Kumpel.« Ein
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