Das Vigilante Prinzip (German Edition)
Kane ist.«
Vigilantes Kopf fuhr herum. »Was?«
Der Hacker grinste breit und nickte gleichzeitig so heftig mit dem Kopf, dass ihm eine fettige Haarsträhne ins Gesicht fiel. Er versuchte, sie wegzupusten, was ihm jedoch nicht gelang.
»Als wir aus der Villa abgehauen sind, hab ich ihm einen meiner selbst entwickelten Sender in die Tasche gesteckt. Ich kann ihn für Sie aufspüren, aber allzu lange sollten wir uns damit keine Zeit lassen. Er braucht nur seine Jacke auszuziehen oder von jemandem durchsucht oder durchleuchtet zu werden, dann ist dieser Vorteil hin.«
Vigilante musterte den Jungen eine Sekunde zu lange. Dann nickte er anerkennend. »Du hast dir gerade ein paar Extraminuten erkauft, Kleiner. Aber falls du irgendwo mit einer Kugel im Schädel gefunden wirst, gib nicht mir die Schuld dafür, okay?«
Wolverine hob die rechte Hand. »Großes Indianerehrenwort, Jed.« Als er Vigilantes warnenden Blick bemerkte, hustete der Junge und korrigierte sich: »... ich meine natürlich Alter .«
»Schon besser, Kleiner.«
Blinker setzen. Gas geben.
Die Fahrt ging weiter.
Sie erreichten Van Buren Street Northwest, eine ruhige Wohngegend mit Einfamilienhäusern in der Nähe des Takoma Parks. Das Pentagon hatte sich geweigert, Ormonds Adresse herauszugeben, und auch Cole Snipes musste mit seiner Anfrage an die Behördendatenbank passen. Abermals war Wolverines Attacke auf den Rechner im Pentagon hilfreich gewesen. Sein Programm hatte Querverweise aus seiner Suche aufgespürt und nachverfolgt. Da in dem Telefonat zwischen Judas Kane und dem ermordeten Eric Dessler der Name von Candice Ormond gefallen war, hatte Wolverines Software eine Kopie ihrer Personalakte aus dem internen Netz gefischt und in einem virtuellen Ordner hinterlegt. Ormond wohnte in einem kleinen Haus westlich des Takoma Parks. Keine Garage, kein Garten, nur ein Vorgarten mit einem gepflasterten Weg, der zur Haustür führte. Der Bau war schlicht gehalten, besaß eine offenbar nicht genutzte Veranda, und direkt über dem Erdgeschoss begann die Dachetage mit einem Erkerfenster. Die Straße vor dem Gebäude war frei. Keine parkenden Fahrzeuge.
Vigilante hielt auf der gegenüberliegenden Seite, stellte den Motor ab und stieg aus.
»Du bleibst hier.«
»Aber ...«
»Keine Widerrede.« Er knallte die Tür zu. In der Nachbarschaft war es ruhig. Vigilante hörte den Verkehrslärm von der nächsten größeren Hauptstraße als dumpfes Hintergrundgeräusch. Irgendwo bellte ein Hund. Eine Tür wurde zugeschlagen. Das metallische Klirren eines Mülltonnendeckels erklang.
Zu ruhig .
Vigilante ging über die Straße. Als er einen Fuß auf den gepflasterten Weg vor dem Haus setzte, sah er bereits, das etwas nicht stimmte. Die Eingangstür war nur angelehnt. Er zog die Walther P99 aus dem Gürtelholster und lud sie durch. Hinter sich hörte er die Wagentür des Malibus. Der Bursche schien nicht still sitzen zu können. Vigilante ging weiter bis zu den drei Treppenstufen, die zur Veranda hinaufführten, hockte sich daneben und wandte dann erst den Blick zurück.
»Welchen gottverdammten Teil von Du bleibst hier hast du nicht verstanden?«
Wolverine rannte über den Rasen und ging direkt auf der anderen Seite des Treppenaufgangs in die Hocke. »Ich hab den Polizeifunk abgehört, Alter. Es gibt eine Einbruchsmeldung der Familie Hemworthy für diese Adresse.«
Gute Arbeit, Kleiner. Vigilante vermied es, den Gedanken laut auszusprechen. Er wollte Rick Mercer nicht mehr bauchpinseln, als es ihm gut tat. Sein Blick wanderte über Wolverines Schulter hinweg zum Nachbargrundstück. Am Fenster im ersten Stock sah er eine Frau, die ihn beobachtete. Von der Seite erkannte er den Namen auf dem Briefkastenschild. Hemworthy. Daher wehte also der Wind.
Vigilante hob eine Hand. »Bleib hier, und tu diesmal, was ich dir sage.« Er kam aus der Hocke hoch, lief die beiden Stufen zur Veranda hinauf und stieß mit einem Fuß die angelehnte Tür auf. Der Vorraum und das angrenzende Wohnzimmer sahen aus, wie durch den Wolf gedreht. Möbel waren nicht nur verrückt, sondern umgeworfen und kreuz und quer auf dem Boden verteilt worden. Bilder lagen auf dem Teppich, Schranktüren standen sperrangelweit offen. Schubfächer waren herausgerissen worden und lagen zwischen Sofa und umgestürztem Couchtisch.
Jemand war hier gewesen.
Aber es gab etwas, das Vigilante sofort ins Auge stach. Trotz des Chaos wirkte das Haus nicht so, als wäre es in der letzten Zeit bewohnt gewesen.
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