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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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eintreten.
    Wohnzimmer und Küche bekam er nur flüchtig zu sehen, denn sie zog ihn am Arm. Es sah aus wie eine Elternwohnung. Die Sofakissen hatten Strickbezüge und passten farblich zu den Bildern von Obstschalen und Brücken an den Wänden. Er roch Weihrauch; brennende Räucherstäbchen.
    In ihrem Schlafzimmer ging alles noch schneller, als wenn sie betrunken zu ihm gingen. Sie schnappte sich seine Hände und drückte sie sich hier und da und dort auf den Körper. Sie stieß ihn heftig aufs Bett, als er ihr über die Haare fahren wollte. Er landete auf dem Rücken und fragte sich, wie viel ihre orthopädische Matratze wohl gekostet hatte und warum er nicht auch längst so eine hatte.
    Er fragte sie nach dem Preis, und sie lachte leise. Er legte ihr die Hand in den Nacken. Seiner Lea.
    Er ergab sich. Sie sich irgendwann auch. Sie schliefen ein.

    Er wachte vom vertrauten Schluchzen eines Menschen auf und wusste im ersten Augenblick nicht, wo er war. Lea lag ruhig neben ihm, und als er sich über sie beugte, merkte er, dass sie tief und fest schlief und nicht schluchzte, sondern rhythmischer und friedlicher atmete, als er es je gesehen hatte.
    Dann hörte er es wieder. Ein Schluchzen. Ein Stöhnen. Er verließ das Schlafzimmer und blieb in seinen Boxershorts in dem kleinen Flur stehen. Er kam sich dumm und vertrieben vor, und ihm war kalt. Die Klimaanlage arbeitete mit voller Kraft, aber unter der dicken Decke hatte er das nicht bemerkt.
    Wieder hörte er das Geräusch. Es drang unter der Tür neben dem Schlafzimmer hervor.
    Das halbe Zimmer, dachte er.
    Er drückte auf die Klinke, aber die Tür war abgeschlossen. Er kannte Lea, kannte sie gut genug um zu wissen, wo sie einen Schlüssel verstecken würde. Wenn Vera zu spät zu ihrer Schicht kam und Lea unbedingt los musste, ließ sie die Jalousien vor dem Laden herab und legte den Schlüssel unter den Mülleimer auf der Straße. Einen Mülleimer gab es im Flur nicht, aber auf dem Teppich stand eine Urne mit falscher Bambusdeko darin.

    Das halbe Zimmer sah genauso aus wie ein normales Zimmer, war aber nur halb so groß, und es gab kein Bett, dafür aber einen Butanbrenner auf dem Boden – Aluminium, made in France; der, den er für den Laden gekauft hatte. Das Aluminium war mit kleinen roten Klecksen getüpfelt.
    Und dann war da natürlich der Mann. Der war nicht zu übersehen. Mitten im Zimmer lag auf dem Boden ein schon älterer Araber mit gefesselten Händen und Füßen. Er war nackt, und die Haut an seinem Rücken war verbrannt. Sein Gesicht zeigte jede Menge Beulen in Gelb, Rot und Blau. Er sah hoch und machte den Mund auf. Unten fehlten ihm zwei Zähne, sodass ein Zahn wie der eines Babys allein stand.
    Das war alles so sinnlos; das passte alles nicht zusammen. Ron machte den Mund auf, aber kein Wort kam heraus. Er spürte ihre Hand auf seiner Schulter.
    »Ich erwarte nicht, dass du das verstehst«, sagte Lea. »Ich habe ihn vor zwei Tagen betrunken und bewusstlos auf einer Bank an der Baustelle vor dem Haus gefunden und sofort erkannt. Das ist Fadi. Und ich hab’ ihn mitgenommen. Er hat einen Jungen in meiner Einheit umgebracht. Hat ihm fast den Hals durchtrennt. Hat ihn im Auto am Kragen gepackt und ihm das Messer …«
    »Hat dich jemand gesehen und was gesagt, als du ihn hergeschleppt hast?«, fragte Ron leise.
    »Wir sind hier in Tel Aviv«, sagte sie.
    »Helfen Sie mir«, sagte der Mann auf Arabisch zu Ron. Er war heiser.
    »Ich hab’ zwei Stunden gebraucht, bis ich ihn hier oben hatte. Er war so besoffen, dass er sich nicht mal gewehrt hat, aber ich hatte Angst, ich würde mir das Kreuz brechen«, sagte Lea. Ihre Stimme klang schläfrig. »Er redet immerzu mit mir. Ununterbrochen. So langsam könnte er eigentlich geschnallt haben, dass ich kein Arabisch kann. Ich dachte, er würde die Klappe halten, nachdem ich ihm die Zähne ausgeschlagen hab’, aber von wegen.«
    »Was hab’ ich getan?«, fragte der Mann Ron. Er sah ihn an, als hätte Ron Autorität, als wäre er ein hochrangiger Mossad-Agent, der endlich gekommen war, um das Richtige zu tun.
    Ron dröhnte der Schädel wie verrückt, dabei hatte er am Abend gar nichts getrunken. Lea redete weiter.
    »Und ich kann’s nicht lassen; ich kann ihn nicht laufen lassen.«
    Ron sah den Mann an und bedeutete ihm zu schweigen. Er sah auf die Uhr. In nicht mal zwei Stunden begann seine Schicht im Sandwichladen. Er griff nach dem Butanbrenner und versetzte dem Mann damit einen Hieb in den Nacken. Der Mann

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