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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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und sich dann bückte, um die Schuhe auszuziehen. Sie streckte den Hals, als merkte sie gar nicht, dass er auch da war. Sie sah sich im Wohnzimmer um, griff nach der Fernbedienung und ließ sie wieder aufs Sofa fallen. Sie warf einen Blick in die Küche, schaltete das Licht ein und gleich wieder aus. Sie ging durch den kurzen Flur, öffnete die Tür zum Besenschrank, schloss sie, öffnete die Tür zum Schlafzimmer. Er hörte, wie ihr Körper aufs Bett plumpste. »Und?«, hörte er sie sagen, während er noch im Wohnzimmer stand. Er kam sich albern vor, so schrecklich albern, weil er nicht längst bei ihr war.
    Erst jetzt merkte er, dass er sich nie ausgemalt hatte, mit ihr zu schlafen. Er hatte nicht erwartet, dass sie in dieser Nacht mit ihm schlafen würde, aber es fühlte sich so an, als wäre alles so geplant gewesen, als hätte die Welt ihm jahrelang Spinnweben ums Hirn gewoben und ihn schließlich in diesem Augenblick fallen lassen, als würde man seinen Lieblingsfilm zum ersten Mal sehen, sich aber schon an all die Gelegenheiten erinnern, wo man ihn wiedersehen wird.

    Er war betrunken gewesen, deshalb konnte er sich nur erinnern, zu seinem eigenen Stöhnen eingeschlafen zu sein, aber vom Stöhnen eines anderen wachte er wieder auf. Draußen war es noch dunkel.
    Er fand sie im Badezimmer, ihr Gesicht war rot. Sie hatte geweint, aber jetzt hatte sie nur sein Handtuch in der Hand, starrte ins Leere und saß reglos auf den Fliesen.
    Er schaltete das Licht ein, und das Gelb blendete ihn.
    »Was ist denn?«, fragte er. »Bereust du … das hier?«
    »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich bin so schwierig.«
    »Bei mir brauchst du dich nicht zu entschuldigen«, sagte er und setzte sich neben sie auf den kalten Boden. »Egal wofür.«
    »Du solltest dich von mir fernhalten«, sagte sie und lächelte. »Ich hab’ dir ja gesagt, dass ich kein guter Mensch bin. Ich hab’ abartige Sachen getan.«
    Selbst verkatert und übermüdet war er noch ein pfiffiges Kerlchen und konnte sich denken, was sie meinte.
    »Du meinst mit den Leuten am Checkpoint?«, fragte er.
    Sie nickte.
    »Das gilt für alle, die da stationiert waren. Das liegt nicht an dir. Das liegt an dieser Scheißarmee; die versaut jeden«, sagte er.
    »Du hast keine Ahnung, was ich getan habe«, sagte sie.
    »Das ist mir auch völlig egal«, sagte er. »Es ändert nichts. Selbst wenn du einen Opa in die Eier getreten hast, ist mir das egal.« Ron war sauer und angewidert – von der Stadt, von diesem Land, von allem, was Lea so zum Weinen gebracht hatte. Das war falsch. Es war immer falsch gewesen, dieser ganze siebzig Jahre währende Krieg. Noch nie war ihm das so klar gewesen.
    »Was heißt das?«, fragte Lea und lachte. »Soll das heißen, wir haben jetzt eine Beziehung, oder wie ihr das hier in der Stadt nennt?«
    »Ja«, sagte Ron. »Wir haben jetzt eine Beziehung. Und jetzt komm wieder ins Bett.«
    Er würde es in Ordnung bringen, beschloss er. Egal, was bei ihrem ersten Treffen in ihren Augen zu sehen gewesen war, er würde es in Ordnung bringen. Damit musste er arbeiten, und damit würde er arbeiten. Das war angewandter Pragmatismus.

    Er kam sehr schnell sehr weit voran – aber er konnte nicht anders. In dem Monat, in dem er merkte, dass der Sandwichladen nicht nur kostendeckend lief, sondern knapp ein Jahr nach seiner Eröffnung die Gewinnzone erreicht hatte, sagte er zu Lea: »In ein paar Jahren haben wir genug Geld, um eine Familie zu gründen.« Er war verblüfft, wie gut es lief. Gab es in Tel Aviv andere Schnellrestaurants, die sich so schnell etabliert hatten? Sein Bruder hatte ihn gewarnt, er würde über zwei Jahre lang Geld verbrennen, bevor sich die Investitionen auszahlen würden.
    »Pass auf, was du sagst, Tiger«, sagte sie. Sie wischte die Theke. Sie lächelte. Ihn an.
    Nach der Mittagshektik machte eine Mittelschülerin mit Zahnspange Lea zu schaffen.
    »Auf dem Schild heißt es, ich kann ein Sandwich mit allem haben, was ich will«, keifte das Mädchen, »und ich will ein Sandwich mit Haschkeksen.«
    »Das würde ich dir gern geben, aber wir haben keine Lizenz«, versuchte Lea ihr klarzumachen.
    »Ich will, was ich will«, antwortete das Mädchen. Sie wich Leas gutmütigen Blicken ebenso aus wie ihren besänftigenden Worten.
    »Ich weiß, meine Süße, ich weiß, aber mir sind die Hände gebunden.«
    Bevor sie zusammengekommen waren, als sie noch keine »Beziehung« hatten, wie sie das nannte, hatte sich Ron gewundert, wo sie ihre

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