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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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ewig, auf allen vieren, mit deinem Schwanz im Mund.«
    »Heiratest du mich?«, fragte Shai. Er sah auf sie hinab. Er meinte es als Witz, aber sie wussten beide, dass Witze das Präziseste überhaupt sind, wenn man mit dem Tod auf du und du ist.
    »Ich muss reisen. Aber irgendwann vielleicht.«
    »Irgendwann reicht nicht. Alles tun heißt alles tun.« Yael hütete sich, Nein zu sagen, also sagte sie, dann stirb, und gab auf. In Wahrheit wusste sie, dass ihre Worte keine Lösung waren. Nicht für Shai. Auf dem Weg zum Container zurück spiegelten sich Grashüpfer in den Diesellachen, die sich beim Waffenreinigen gebildet hatten, und sprangen hinein.

    Lächelnd betrat sie den Container. Sie fand, ihr blieb nichts anderes übrig. Der Strom war wieder weg.
    »Du bist zu Hause!«, sagte Avishag. Sie flocht nach dem Duschen ihre dünnen Haare und trug einen Sommerpyjama mit Tortenmuster.
    »Wollen wir Knickgeschichten schreiben?«, fragte Lea. Sie zog eine Erinnerungskerze aus ihrer unversieglichen Tasche und zündete sie an.
    Die Mädchen holten Stifte und Papier, und jede schrieb einen Satz. Das Knickspiel hatten sie seit der siebten Klasse nicht mehr gespielt. Ihre verbesserte Version von »Onkel Otto sitzt in der Badewanne«. Lea bekam Yaels Sätze zu sehen, Avishags aber nicht. Sie setzte den Satz fort, den sie sah. Yael schrieb Avishags Satz fort und bekam Leas nie zu sehen.
    Ihre Geschichten drehten sich vor allem um tote Hunde an Orten, die der Antarktis glichen, veränderte Liedtexte aus American Idol und Stiefmütter, die so fett waren, dass sie mit ihren Kopfsprüngen die Kibbuz-Schwimmbecken leerten. Die drei Blätter wanderten im Kreis herum, jedes Mädchen faltete den gesehenen Satz nach unten und ließ den eigenen Satz sichtbar für die Nachbarin zur Rechten, es sah aus wie ein Fächer der Worte, die in ihnen allen steckten, in Tinte ertränkt.
    Sie stellten keinen Wecker. Von Bett zu Bett flüsterten sie sich am Vorabend zu, dass sie von allein aufwachen würden. »Natürliches Aufwachen« – das war eine Militärwendung, die niemand mehr gebrauchte und die sich auf die seltenen weckerlosen Morgen bezog, an denen man nicht für irgendetwas aufstehen musste.

    Als die Frauen aufwachten, waren die Jungen weg, in einem fahrenden Bus oder in einem anderen Land; nur die Mädchen waren noch da. Mittag war schon vorbei, als die Frauen den Drang verspürten, ins Freie zu treten und über den Stützpunkt zu streifen.
    Die Mädchen der gut aussehenden Clique bedeckten sich gegenseitig mit Eis und sonnten sich nackt bei der Fahne. Kein Ausbilder war auf dem Stützpunkt geblieben, Schießplätze und offene, am Bildschirm zu beobachtende Tore spielten keine Rolle mehr. Ein Mädchen, eine hinreißende Schönheit mit einer zarten Spur blonder Härchen im Nacken, sprang in die Lücken zwischen den Mädchen, die sich auf dem Boden aalten. »Bim bam bappe, ich ess’ eine Ratte«, sang sie beim Springen, und die Mädchen mussten sich ein Stück weiter rüberrollen und den Zwischenraum zur Nachbarin vergrößern, weil sie es immer noch schaffte, zwischen ihnen aufzukommen, egal, wie weit sie auseinanderlagen. »Wir sind ’ne rare Brut von altem Blut«, skandierten die Mädchen, als die Frauen weitergingen.
    »Was ist jetzt? Überfallen wir die Jungencontainer?«, fragte Lea. »Das habt ihr doch immer gewollt.«
    Lea blieb stehen, kam auf Yael zu und küsste sie auf die Stirn. Sie war irgendwie weicher geworden. Ihre Lippen auf Yaels Haut waren unsicher. Vielleicht lag es am Baby in ihr, aber Yael hielt es bloß für die Gelassenheit des Alters.
    Sie liefen über den Stützpunkt und trafen die weniger beliebten Mädchen in ihren roten oder mit Leopardenmuster bedruckten Badeanzügen. Sie standen im Kreis und hielten sich so fest an den Händen, dass die Knöchel weiß wurden. Avishag freute sich, dass die Mädchen ein Spiel spielten, das sie kannte. Ein Geburtstagsspiel. Das Geburtstagskind stand im Kreis und war die Katze. Draußen stand die auserkorene Maus. Das Spiel ging so, dass der Mädchenkreis die Katze nie aus dem Kreis ausbrechen lassen durfte. Die Mädchen sangen ein altes Soldatinnenlied: »So ein Mist, so ein Mist; Huren legt man für Geld aufs Kreuz; wir kriegen nichts dafür.«
    »Heute ist Nostalgietag«, sagte ein hochgewachsener Rotschopf, die Maus außerhalb vom Kreis, zu Avishag. Sie sah durch Avishag hindurch. »Ihr könnt also mitmachen, auch wenn ihr alt seid. Später können wir dann Schule spielen,

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