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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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meine?«
    »Nein, wie meinst du das? Du müsstest doch wissen, dass ich keinen Schwanz hab?«
    »Mensch«, sagte Yaniv. Er holte tief Luft. »Das ist … das sagt man so. Kapierst du das nicht?« Er streckte flehentlich die Arme nach oben. Er war offensichtlich in Rage, denn er merkte nicht mal, dass er das äthiopische Mädchen leicht getroffen hatte.
    »Nein, versteh ich nicht«, sagte ich. »Ist doch dämlich von dir, was zu sagen, was keinen Sinn macht.«
    »Aber … das sagt man so«, sagte Yaniv. Durch sein Schmollen und das hektische Kaugummikauen war klar, dass er nach Wörtern suchte, die noch nie zu seinem Wortschatz gehört hatten. Wörter wie »buchstäblich« oder »repräsentativ« oder auch »Redewendung«. Ich ließ ihn suchen, was es bei ihm gar nicht gab, bis die Tore geöffnet wurden.
    Diesmal versuchte Fadi nicht, mich als Kontrolleurin zu meiden. Er versuchte gar nichts. Ich bemerkte ihn nicht mal in der Schlange, bis er plötzlich dastand und Ausweis und Papiere auf den Beton vor mir legte, als wäre ich eine völlig Fremde. Ich ließ ihn warten, bevor ich sie mir ansah. Ich tat so, als würde ich Yaniv beobachten, der seinen Kopf weit zum Fenster eines palästinensischen Autos reinsteckte und mit dem Fahrer plauderte. Die ersten Autos hupten schon; er hielt die ganze Schlange auf.
    Dann schaute ich Fadi an, sah es und bekam einen Schreck, aber nur kurz.
    Ich hatte damit gerechnet, aber als ich es sah, erschrak ich. So sehr, als hätte mich gerade jemand überzeugt, dass ich Gott war oder schon tot oder dass ich brannte.
    Fadis Knöchel waren verletzt. Eingeschnitten. Mit eingetrocknetem Blut drauf.
    »Haben Sie sich verletzt?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte Fadi. »Ich hab mich verletzt.«

    Die Einplanerin, auf deren Konto meine Zuteilung zur Militärpolizei ging, hatte recht gehabt. Die weitverbreitete Vorstellung, dass jeder Soldat mit einem blauen Barett die gesamte Wehrdienstzeit damit verbrachte, Soldaten zu verwarnen, die ihre Uniform in öffentlichen Verkehrsmitteln verkehrt herum trugen, war falsch. Ich wurde den zur Militärpolizei gehörenden Wachtruppen zugeteilt, einer Einheit, die nichts mit Militärkleidung, aber dafür ausschließlich mit Ausweisen und Kontrollen zu tun hatte. Trotzdem, diesen Fehler machten viele, die Angst vor dem blauen Barett hatten. Wenn ich an meinen sehr seltenen freien Wochenenden mit dem Zug nach Hause fuhr, verstummten andere Soldaten, sobald sie mein blaues Barett sahen. Dann machten sie sich aus dem Staub. Ich kam mir vor wie ein Ungeheuer oder ein irakischer Diktator oder als wäre ich hässlich, was stimmte – mit dem Barett auf dem Kopf war ich hässlich.
    Aber das Ding hatte auch nette Nebeneffekte. Mindestens ein Soldat machte sich immer aus dem Staub und überließ mir praktischerweise seinen Platz, selbst wenn der Zug rappelvoll war. Ich hatte also immer genug Ruhe, um das Fernsehprogramm oder amerikanische Romane zu lesen. Auf Schulausflügen mit dem Bus hatte ich nie meine Ruhe gehabt. Da wollten dann alle wissen, was wir meiner Meinung nach mit dem Mädchen machen sollten, das einer anderen den Freund ausgespannt hatte, oder ich sollte mich darum kümmern, dass Yael allen anderen ihre Hausaufgaben gab, weil wir mal befreundet waren und ich die Einzige war, auf die sie noch ein bisschen hörte. Im Zug, als Soldatin, musste ich mich nie mit den Problemen anderer herumschlagen oder mich an Klatsch und Tratsch beteiligen.
    Einmal ist wegen dem blauen Barett was wirklich Cooles passiert, da hat ein Soldat, ein Junge, losgeheult, als er mich sah. Wahrscheinlich hatte er schon viele Verwarnungen und wusste, dass er was Falsches trug oder dass irgendwas fehlte, also heulte er und rannte davon, heulte und rannte noch schneller.
    Das blaue Barett hatte ein paar – wenige – nette Nebeneffekte, aber Freunde fand man damit keine. Keiner dieser Nebeneffekte war etwas, woran ich abends beim Einschlafen hätte denken können.

    In dieser Nacht, nach dem Morgen, an dem Fadi mir erzählt hatte, er habe sich verletzt, stellte ich mir vor, dass er jetzt auf der Strohmatte vor seiner Haustür schlief. Ich stellte mir vor, dass seine Nur die Schlösser ausgetauscht hatte und dass er darum auf die Straße pinkeln musste und bis zwei Uhr morgens wach blieb, um pinkeln zu können, weil er sich schämte und Angst hatte, die Nachbarn könnten ihn sehen. Er schämte sich dafür, wie sehr dieses alltägliche menschliche Bedürfnis schmerzte, und auch dafür, wie

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