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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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wusste nicht, dass es mich gab, dass es mich auf dieser Welt gab, und dass ich Dinge sah.
    Seine Augen waren die eines Mannes, in denen der Ärger gestorben war.

    Ich vergaß Fadi. Wirklich. Und Yaniv auch. Ich vergaß sie eine Weile. Erst vor zwei Tagen fielen sie mir wieder ein. Ich dachte an die Fahrt zum Checkpoint, an den Morgen nach Yanivs Hals. An meinen Kopf. Ich dachte an meinen Kopf, dem die Metallverkleidung des kugelsicheren Transporters den ganzen Weg zum Checkpoint über zugesetzt hatte. Rums und Rums und Rums. Ich knallte bei jeder Umdrehung der Reifen wieder mit dem Kopf gegen das Metall, ohne daraus zu lernen. Und ich lernte auch weiter nichts daraus und ließ müde den Kopf langsam zur rechten Schulter kippen, nur um gleich wieder gegen das Metall zu knallen.
    Dass ich wieder daran denken musste, hatte mit dem Transporter zu tun, in dem ich vor zwei Tagen nach Tel Aviv gefahren war, um mir Wohnungen anzusehen. Von den neun Monaten, in denen ich als Offizierin gedient hatte und bezahlt worden war, hatte ich etwas Geld gespart, das ich jetzt für einen Neuanfang verwenden konnte. Die Bewerbungsunterlagen für die Offiziersschule füllte ich am Tag nach Yanivs Tod aus. Ich wollte keins der zurückgebliebenen Mädchen vom Checkpoint mehr sein. Das konnte ich nicht.
    Auf jeden Fall bin ich seit ein paar Monaten keine Offizierin mehr und fange an zu leben. Natürlich habe ich mir zuerst die jüngeren Viertel in Tel Aviv angesehen, die Viertel, die von den großen Taxis angefahren werden. Die Taxis sind eher Kleinbusse, weil der Taxifahrer bis zu zehn Leuten mitnehmen und man unterwegs aussteigen kann, wo man will. Ich hab auf jeden Fall eins von diesen für Tel Aviv typischen Taxis genommen, als ich auf Wohnungssuche war, die Nummer fünf, und die Fahrt könnte man als reibungslos bezeichnen. Genau genommen hab ich mir nicht mal den Ellbogen gestoßen.
    Aber eben vor einer Stunde habe ich eine Wohnung in der Nähe vom Rabin Square gemietet. Ich will nicht unhöflich sein und über Geld reden, darum drücke ich es mal so aus, dass sich wegen der Höhe der Mietsumme der Gedanke an die Metalltransporter nicht zu weit wegschieben lässt. Auch nicht der an Fadi. Ich zahle Geld, um in diesem Viertel zu wohnen, weil die Taxis hier genauso sind wie überall auf der Welt. Sie sind Autos und gelb. Keine von diesen skurrilen Kleinbus-Taxis.
    Außerdem weiß ich, dass ich auch deshalb an Fadi denken muss, weil mein Schlaf seit dem Tag mit Yanivs Hals zwar ein Segen ist, ich aber vor Kurzem an einem Abend, vielleicht auch an zweien, aus irgendeinem Grund fernsehen musste, um einschlafen zu können. Ich brauchte die Farben, die mir aus dem Kasten in die Augen strahlten, damit sie zufielen.

    In dieser Nacht. In dieser Nacht konnte ich hören, wie sich die äthiopischen und marokkanischen Mädchen unter dem Vordach vorm Container unterhielten.
    Ich ging in den Waschraum und sah in den Spiegel. Obwohl ich wusste, dass die Mädchen alle rauchten, dass sie stundenlang rauchen würden und ich in Ruhe gelassen würde, klemmte ich mein Gewehr unter die Türklinke, damit keiner reinkommen konnte.
    Ich zog Stiefel und Socken aus. Die Socken waren weiß, und ich erinnere mich noch, wie erschrocken ich war, als ich merkte, dass ich den ganzen Tag lang weiße Socken getragen hatte, weil auf dem Stützpunkt ja nur dunkle erlaubt waren. Und auch wenn ich eine Militärpolizistin an einem Checkpoint war, blieb ich eine Militärpolizistin, die das blaue Barett und das alles repräsentierte.
    Diese weißen Socken. Ich weiß noch, dass die mir an dem Abend einen Schrecken eingejagt haben.
    Mein Gürtel, die grüne Hose, das grüne Hemd, das grüne Unterhemd, der BH, die Unterhose, die ich auf links angezogen hatte, weil ich keine frische mehr hatte. Ich zog alles aus und betrachtete mich nackt in dem angelaufenen Spiegel. Die zu großen Brüste und die Falten, die an meinen Mundwinkeln entstanden waren.
    Da sah ich, dass ich eine Soldatin war, ich konnte nicht aufhören, mich anzusehen, und ich hatte keine Angst. Das war ein paar Wochen vor meinem neunzehnten Geburtstag. Am nächsten Morgen würde ich die Unterlagen ausfüllen und mich freiwillig für die Offiziersschule melden. Ich sah, dass ich Soldatin war, wusste, ich würde eine Offizierin sein, und hatte keine Angst.
    Geduscht habe ich nicht in dieser Nacht. Ich habe an Nur gedacht. Ich stellte mir vor, dass sie geduscht hatte und schon alle Hebel in Bewegung setzte, um Fadi aus

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