Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)
»Ich habe die ganze Zeit an dich gedacht. Du hast mir gefehlt.«
Später an dem Tag, als wir unsere Sandwichs aßen (Senf-Tomate-Mayo für mich und Butter und Gurke für Emuna), redete die neue Bibel-Lehrerin nicht über Jona, sondern erzählte, dass ihr Freund ihr am Wochenende ganz oben auf der Azrieli Mall in Tel Aviv einen Heiratsantrag gemacht hatte. Unter ihnen sausten die Autos, jagten hintereinander her, und die ganze Welt dröhnte weiter. Aber nicht für unsere Lehrerin, die sagte, die Welt hätte in diesem Moment angehalten.
Danach sagte Noam, wenn sie groß sei, würde sie auch einen Heiratsantrag auf der Aussichtsplattform der Azrieli Mall bekommen, und wir alle fanden das eine gute Idee, bis auf Lea, die die Augen verdrehte. Lea verdrehte bei allem die Augen.
Nur dass wir nicht bedacht hatten, dass wir uns nicht würden aussuchen können, wo man uns einen Heiratsantrag machte, und ob überhaupt. Noams Freund machte ihr im Bus einen Heiratsantrag. Ihr Immobilienmakler hatte sie gerade angerufen, da fragte er, ob sie ihn heiraten wolle.
Aber sie wollte, dass wir uns alle in Azrieli trafen. Im Gedenken an eine Zeit, als wir noch Kinder waren.
Als ich den Militärpolizisten ansehe, lache ich los. Manchmal muss man einfach lachen. Wie ich da so im Sand sitze, muss ich das einfach. In meinen zwei Jahren bei der Armee bin ich an meinen freien Tagen mit offenen Haaren in die vollen Geschäfte der Azrieli Mall rein- und rausspaziert oder mit blauem Lidschatten Zug gefahren. Einmal hab ich sogar mein Nasenpiercing reingemacht, zu dem Hagar mich überredet hatte, als ich in Uniform einen Bus vom Zentralbusbahnhof in Tel Aviv genommen habe, wo es vor blauen Baretts, die es gar nicht erwarten können, einen zu melden, nur so wimmelt.
Und hier in diesem Niemandsland, zwei Wochen vor Ende meiner Wehrdienstzeit, soll ich eine Verwarnung kriegen. Hier finden sie mich.
»Deine Ausweisnummer, Soldat«, sagte der Beamte, ohne mich anzusehen. Er schaut konzentriert auf die Linien in seinem Notizbuch und hält den Stift umklammert. Wo zum Teufel kommt der auf einmal her?
Ich senke den Kopf. Ich schließe die Augen.
»Deine Ausweisnummer, Soldat«, sagt der Beamte.
Ich antworte nicht. Ich schaue auf und sehe ihn ruhig an. Er verändert ganz leicht seine Position, sodass die Sonne wieder über mir explodiert. Ich blinzle und starre ihn an. Er kann mich nicht zwingen, etwas zu sagen. Er kann meinen Mund nicht anfassen und die Lippen nicht bewegen und nicht erzwingen, dass Luft und Töne aus meiner Kehle kommen. Keine Macht der Welt kann das.
»Deine Ausweisnummer, Soldat«, sagt der Beamte. »Ich frage ein letztes Mal, und dann bist du in Schwierigkeiten.«
Ich weiß, dass es nicht so schlimm sein wird. Es wird ein paar Tage dauern, bis die Verwarnung der Militärpolizei zu meinem Stützpunkt durchsickert. Und dann habe ich schon nur noch ein paar Tage Wehrdienst übrig. Das Schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass ich Latrinen putzen muss, aber selbst das werden sie nicht tun. Meine Vorgesetzten lieben mich. Ich bin die älteste Ausbilderin auf dem Stützpunkt. Hagar und die anderen beiden reisen schon durch Europa. Seit dem Krieg vor einem Jahr ist es still auf dem Stützpunkt. Keiner will mir jetzt noch was Böses. Ich glaube sogar, dass mein neuer Vorgesetzter Shai in mich verliebt ist. Ich bin letztlich eine gute Soldatin gewesen. Ich habe vielen Jungs das Schießen beigebracht.
»Ich bin keine Soldatin«, sage ich.
»Du hast Uniformhosen und Militärstiefel an. Du bist ein Soldat, und du besitzt die Dreistigkeit, mit halber Uniform rumzulaufen?«, sagt der Beamte.
»Ich bin keine Soldatin«, sage ich. »Das nicht.«
Stell dir vor, du weißt, jemand ist etwas Bestimmtes, du weißt es ganz genau, aber diese Person behauptet einfach immer wieder, genau das nicht zu sein – streitet es einfach immer wieder ab. Kannst du da irgendwas machen? Nein, kannst du nicht. Wenn ich eine Zivilistin bin, ist er machtlos. Es gibt nicht mal ein Gesetz, das besagt, dass Zivilisten einen Ausweis bei sich führen müssen.
Der Beamte verschränkt die Arme, und ich grinse. Ich brauche nichts mehr zu sagen, aber ich erkläre noch:
»Die Hosen gehören meiner Schwester. Ich bin einfach nur ein Schulmädchen. Und du bist ein großer bewaffneter Mann, der mich belästigt. Eigentlich müsste ich weinen.«
»Ist deine Schwester ein Soldat? Wie heißt sie? Sie kann großen Ärger bekommen, weil sie dir diese Uniform gegeben
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