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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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und tätschelte ihm den sonnengesprenkelten Arm. »Wie immer«, zwinkerte sie.
    »Ump«, grunzte der Mann. »Ich könnte schwören, letztes Mal haben Sie beide Paprikasorten gleich lange gegrillt.«
    Hatte sie nicht. Sie hatte seine Anweisungen penibel befolgt.
    »Oh, das tut mir wahnsinnig leid«, sagte Lea mit bewusst ernster Miene, als hätte der Mann gerade gesagt, seine Enkeltochter wäre unter Leas Aufsicht ermordet worden. »Ich werde mein Bestes geben, damit es Ihnen schmeckt.«
    Ein gutes und warmes Gefühl durchströmte Ron, weil Lea ihre Arbeit so ernst nahm. Er hatte sein Herzblut in diesen Laden gesteckt. Er wollte um jeden Preis Erfolg haben. Er hatte eine schöne Stange Geld in eine Paprikaschälmaschine gesteckt (aus Kupfer; Made in Sweden). Noch mehr Geld hatte er in einen Butanbrenner für Crème brulée gesteckt (Aluminium; Frankreich). Es hatte ihn Stunden gekostet, hinter die Funktionsweise zu kommen, aber als Lea damit hantierte, dauerte es nur ein paar Sekunden, und die gelborangene Flamme schoss hervor. Ihre Augen funkelten dabei.
    »Du bist die geborene Tresenfee«, sagte Ron, als der Paprikamann gegangen war. Er hatte ihr schon seit Tagen etwas Nettes sagen und sie danach vielleicht zum Abendessen einladen wollen. Er wartete nur die richtige Gelegenheit ab. »Du bist Russin, oder?«, fragte er.
    »Halb Deutsche«, sagte sie. »Und halb Marokkanerin, aber das sieht man nicht.«
    An dem Tag sah sie traurig aus, trauriger als sonst. Ein paar mal erstarrte sie, glotzte und holte stoßweise Luft wie ein Kind, das Suppe schlürft.
    »Du machst deine Arbeit super. Ist das echt dein erster Job nach der Armee?«, fragte Ron. Lea ignorierte sein Kompliment, wandte sich wieder um und wischte die Paprikakerne vom Schneidebrett.
    »Ja«, antwortete sie. »Ich hab’ dir doch beim Bewerbungsgespräch gesagt, dass ich frisch vom Militär komme.«
    »Hast du beim Wehrdienst nebenher gejobbt?«, fragte Ron. Er ließ die Schultern hängen; er wollte ihr Komplimente machen, aber stattdessen nervte er sie mit seinen Fragen. So hatte er sich das Gespräch nicht vorgestellt.
    »Wir haben nicht alle das Glück, dass Mami und Papi uns Bürojobs besorgen. Ich hab’ praktisch nie Urlaub bekommen«, sagte Lea. Sie kippte eine Handvoll karamelisierte Zwiebeln in den Mixer, wartete aber noch, bevor sie auf den »An«-Schalter drückte.
    Anscheinend wartete sie auf eine Antwort von ihm. Er hätte ihr gern gesagt, dass er seine Dienststelle nicht dem Vitamin B seiner Eltern verdankte, sondern dass er im Arabischunterricht an der Highschool einfach viel gebüffelt hatte, weil er wusste, dass der Kampf nichts für ihn war, aber er hielt sich zurück. Seine Instinkte hatten ihn noch nie weit gebracht. Er war ein pragmatischer Geschäftsmann, und er wollte auch ein pragmatischer Liebhaber sein. Plötzlich fiel ihm der Slogan des Verkehrsministeriums für Sicherheit ein: »Auf der Straße muss man nicht recht haben, sondern klug sein.«
    »Wo hast du denn gedient?«, fragte Ron.
    »Militärpolizei. Ich war Offizierin.«
    »Und hast Soldaten verpetzt, die gekifft haben und so?«
    »Nein. Grenztruppen. Checkpoints. Westbank.«
    »Wow«, sagte Ron. Er streckte sich nach dem nächsten Satz, so wie sich ein Arm durch ein Loch streckt, das für den restlichen Körper zu klein ist. »Dürfte kein Pappenstiel gewesen sein«, sagte er schließlich.
    »War halb so wild«, sagte Lea.
    »Kanntest du wen an dem Checkpoint, wo der Soldat in den Hals gestochen wurde?«, fragte Ron. Er erinnerte sich, dass er was darüber gelesen hatte. War schon eine Weile her. In der Zeitung hatte gestanden, der Hals wäre fast durchtrennt worden, und er hatte sich gefragt, was mit »fast« gemeint war.
    In dem Moment schaltete Lea den Mixer an. Die Klingen rotierten und kratzten über das Plastik, ein unmenschliches Kreischen.

    In Wahrheit waren Rons Eltern alles andere als wohlhabend. Nach dem Wehrdienst hatte er sich zwei Jahre lang an einer Tankstelle abgeschuftet, bis er in den Genuss der besseren Sozialleistungen kam, die die Regierung Bürgern nach dem Militärdienst gewährte. Überraschenderweise war das ein hübsches Sümmchen. Seine Kollegen verballerten es auf Reisen nach Thailand und Peru oder investierten es in Hochschulvorbereitungskurse, aber Ron spielte mit dem Geld. Er spielte mit Immobilien, und dann hatte er noch mehr Geld zum Spielen. Er spielte auf dem Finanzmarkt und dann wieder mit Immobilien. Mit Geld hatte er schon immer umgehen

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