Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)
können, er war Risiken eingegangen, schon als er mit zwölf Jahren als Hundesitter gearbeitet hatte. Er hätte nie gedacht, dass das so leicht sein könne. Mit siebenundzwanzig hatte er so viel Geld auf der Bank, dass es ihm peinlich war, die Zahlen genau anzusehen. Die Kontoauszüge brannten ihm Löcher in die Jeanstaschen. Er hatte Albträume, seine Eltern könnten herausfinden, wie viel Geld er in Wahrheit hatte. Er lebte immer noch bei ihnen in der Dreizimmerwohnung in Ra’anana. Er suchte nach einer Mietwohnung in Tel Aviv. Am Ende entschied er sich für eine Zweizimmerwohnung, weil die Mieten in der Stadt für größere Wohnungen so empörend hoch waren, dass sein gesunder Menschenverstand sich einfach dagegen wehrte, egal, wie viel Geld er besaß. Aber bevor er beim Lesen der Zeitungsannoncen dann die Wohnung gefunden hatte, und noch während er am Küchentisch saß und seine Pita mit Avocado, eingelegten Zitronen und Pommes frites aß, hatte er gelesen, das Japanica würde schließen und der Laden neu vermietet. Seine Mutter gab ihm einen Kuss aufs Ohr, bevor sie zu ihrer Arbeit in der Textilfabrik aufbrach. Da wurde es ihm klar. Es war soweit. Das Leben ging los, und er wollte mit einem Kopfsprung hineinhechten.
In einer Nachtschicht fragte sich Ron, ob er von Lea besessen war. Es nervte ihn, dass er so viel an sie dachte, obwohl er eigentlich so wenig über sie wusste und obwohl er wusste, dass er sich eigentlich auf sein Unternehmen konzentrieren musste. Nach allem, was er wusste, und das war so gut wie nichts, könnte sie prüde sein oder von ultra-orthodoxen Siedlern abstammen. Es gab schließlich genug andere Mädchen, Mädchen mit Plastikabsätzen, die in Gruppen die Stadt durchschwärmten. Und er musste auch nicht lange suchen. Während der Militärzeit hatte er mit einer Blondine aus Kfar Saba geschlafen, die spanische Nachrichten abhörte und transkribierte. Sie war ein hübsches Mädchen gewesen, so wie viele andere. Nach der Armee war sie genau wie alle anderen nach Thailand geflogen. Dann kam die Mail, die über einen anderen Mann, der etwas Besonderes war.
Ron schärfte sich ein, zielstrebig zu bleiben. Zwei Filmstudenten von der TAU laberten noch immer über den neuen Film mit Natalie Portman, obwohl sie ihre Sandwichs mit grünen Oliven und Steaks längst bekommen hatten und es schon nach Mitternacht war.
»Ich finde einfach, der Film wäre viel interessanter gewesen, wenn sie den Bruder wirklich gevögelt hätte, als sie dachte, ihr Mann wäre tot, und ihr Mann sie nicht nur verdächtigt hätte, weil er eine Kriegsmacke hatte. Das nenne ich Komplexität«, sagte der eine. Seine Füße waren zu lang für die Barhocker am Tresen.
»Seh’ ich genauso – das wäre viel glaubwürdiger gewesen. Schließlich muss sie glauben, ihr Mann wäre tot, und sein Bruder ist dieser Traumstecher aus Brokeback Mountain«, sagte der zweite Filmwissenschaftler. Er hatte eine Sonnenbrille im langen Haar, die es zurückhielt wie ein Frauenhaarband. »Was meinst du?«, fragte er Lea.
Lea hörte den beiden zu, hatte das Kinn in die Hand gestützt, die Ellbogen ruhten auf dem Tresen. Alle liebten sie. »Ich hab’ den Film nicht gesehen«, sagte sie.
»Oh«, sagte der Typ mit der Sonnenbrille. »Ich würd’ ja sagen, ich geh’ mit dir rein, aber ich würde mit dir lieber in einen Film gehen, der sich auch lohnt.«
»Aber auch wenn ich den Film nicht gesehen habe, würde ich sagen, im Zweifelsfall sollten so viele Figuren wie möglich Natalie Portman vögeln«, sagte Lea. Prüde war sie also nicht.
»So ein schlaues Mädchen. Von deiner Sorte sollte es in der Stadt mehr geben«, sagte der Typ mit der Sonnenbrille. Er streckte den Arm über die Theke und strich Lea über eine Haarsträhne. »Im Zweifelsfall«, sagte er.
Es lag nur daran, dass er wegen des Ladens so viel Zeit mit ihr verbrachte, sagte sich Ron. Er musste zielstrebig bleiben. Besessenheit konnte er sich nicht leisten. Er erhob sich von seinem Plastikstuhl, ging zur Theke und stellte sich neben Lea. Sie roch nach Haut, nach Fleisch. Er zählte bis drei. Dann drosch er dem Typ mit der Sonnenbrille über die Theke weg die Faust auf die Stirn.
Die Sonnenbrille fiel auf das graue Pflaster, ging aber nicht kaputt. Ron wollte die Faust lockern, konnte aber nicht. Er sah die beiden Typen an, die still dastanden und schäumten. Er sah Lea an.
»Geht einfach«, sagte Lea zu den beiden Filmstudenten. »Tut es für mich.«
Der Große bückte sich
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