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Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition)

Titel: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shani Boianjiu
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der Welt aus. Sie schnitt das Weizenbrot mit zarten Gelenkdrehungen, als spürte sie jede Messerzacke, die durch den Teig glitt. Sie legte die Blätter des Römersalats auf die Erdbeerspalten, als deckte sie Kinder mit der Bettdecke zu. Als sie sich die Hände an der schwarzen Schürze abwischte, wiegten sich ihre großen Brüste unter der weiten Bluse. Sie sah auf. Ihre grauen Augen begegneten Rons Blick.
    »Ist was?«, fragte Lea. Ron merkte, dass er sie, seine neue Angestellte, angestarrt haben musste. Keine Kundschaft in Sicht. Er saß auf einem Plastikstuhl unter dem gestreiften Ladendach.
    »Hab’ nur überlegt. Was machst du mit deinem Geld?« Ihm glühten die Ohren, weil er sich auf die Schnelle etwas hatte ausdenken müssen. Die Sonne traf auf die über den Boulevard verstreuten gelben Blätter, sodass er die Hitze fast sehen konnte.
    »Miete zahlen«, sagte sie.
    »Klar, aber davon mal abgesehen«, sagte Ron. Ihre Augen, fand er, sahen auf eine Weise müde aus, die in den Augen anderer, die in die Stadt strömten, nicht zu finden war. Trotzdem war klar, dass sie nicht aus der Stadt kam. Die Ausschnitte ihrer bunten T-Shirts waren alle mit der Schere geschnitten, und sie hatte einen Rucksack und keine Handtasche. Ron fragte sich, was sie in Tel Aviv hatte werden wollen. Schauspielerin? Architektin? Nichts, was ihm einfiel, passte so richtig. Er hatte eine ältere Angestellte gesucht, eine, die die Highschool oder die Armee schon hinter sich hatte, und mit ihr hatte er Glück gehabt.
    »Geht alles für die Miete drauf. Ich wohne in einer Zweieinhalbzimmerwohnung in einer teuren Straße.«
    Ron fragte sich, warum sie die Straße teuer nannte, statt einfach ihren Namen zu sagen. Er fragte sich, warum jemand nach Tel Aviv zog und zwölf Stunden am Tag arbeitete, bloß um die Miete zahlen zu können. Er fragte sich, hatte sich schon immer gefragt, was das hieß, eine Wohnung hätte zweieinhalb Zimmer. Also fragte er sie.
    »Zweieinhalb Zimmer? Das hab’ ich noch nie verstanden.«
    »Was gibt es da nicht zu verstehen? Eben zwei Zimmer und dann noch ein halbes«, sagte Lea.
    Sie lächelte. Aber das Lächeln galt nicht Ron. Zwei Mittelschüler mit einem Pudel bestellten Sandwichs mit Salami, eingelegten Bananen, Basilikum und Popcorn, und ihr Blick galt jetzt ganz ihnen.

    Mitten in der Stadt, wo früher der Japanica-Sushistand gewesen war, an der Ecke Rothschild Avenue und Allenby Street, hatte Ron seine »Wir Richten Nicht«-Sandwichbar eröffnet. Seine Freunde und Eltern waren skeptisch. Das Japanica war bei den Säufern beliebt gewesen, die die Clubs an beiden Seiten des Standes bevölkerten, aber wegen der Lage verlangte die Stadt eine pervers hohe Standmiete. Obwohl der japanische Koch und der israelische Kassierer jede Nacht rund achtzig Kunden hatten wegschicken müssen, blutete das Geschäft seine Inhaber aus, und nach fünf Jahren hatten die Leiter der japanischen Kette beschlossen, nicht länger ein Verlustgeschäft zu machen und zu schließen.
    Herausforderungen hatten Ron schon immer angezogen. Die Idee für den Sandwichladen war ihm morgens um sieben im Bus gekommen, als er während eines Wochenendurlaubs von der Armee nach einer durchzechten Nacht in Tel Aviv zu seinen Eltern nach Ra’anana fuhr. Er hatte die ganze Nacht nichts gegessen, war beim Essen aber schon immer mäkelig gewesen und fand nie so recht das Richtige. Indisch, vegan, Fusion, Jemenitisch, Pizza – nichts war je so gut wie das Frühstück, das er sich zu Hause aus dem Kühlschrank seiner Eltern zubereitete. Er beschloss also zu warten, und in seinem ausgehungerten Suff kam ihm die Idee für den Sandwichladen. Als er betrunken war, fand er die Idee brillant; als er wieder nüchtern war und an seinem Schreibtisch auf der Basis darüber nachdachte, fand er sie noch besser. Er diente als Arabischübersetzer auf einem der Nachrichtenstützpunkte und transkribierte und übersetzte den lieben langen Tag jordanische Radiosendungen. Die Arbeit war langweilig, aber er schuftete sich nicht zu Tode und konnte drei Jahre lang nachdenken.

    Ein Mittagsstammgast, ein alter Mann, der Speicheltröpfchen versprühte, wenn er seine Anweisungen rief, machte Lea das Leben schwer.
    »Also Schätzchen, ich möchte meine gelbe Paprika zwei Minuten und meine rote Paprika zehn Minuten gegrillt, und bei der Truthahnscheibe will ich die Ränder abgeschnitten haben«, sagte der Mann zum zweiten Mal.
    »Natürlich«, sagte Lea, schob die Hand über die Theke

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