Das volle Risiko
Telefongespräche zahlen? Manche Anwälte stoßen sich finanziell gesund, wenn sie solche Fälle wie unsern in die Hand bekommen. Die Versicherungsgesellschaft schickt einen Beauftragten ins Anwaltsbüro; die beiden verhandeln etwa eine Stunde lang, und dann ist der Fall geregelt, und der Anwalt kassiert ein Riesenhonorar.
„Anders wäre es, wenn ein Anwalt eine reguläre Klage vor Gericht mit allen üblichen Formalitäten einbringen würde. Mein Mann wäre bereit, auf dieser Basis einen Anwalt zu beauftragen. Aber die Leute wollen alle nur auf der Grundlage einer prozentualen Beteiligung an der Schadensvergütung handeln. Bietet man ihnen nicht von vornherein ein Drittel, lassen sie sich auf nichts ein.“
„Sicher werden die Anwälte auch ihre Probleme haben“, warf ich ein. „Sie müssen da, wo es möglich ist, auf leichte Art und Weise zu Geld kommen, damit sie dann in schweren Fällen, wo ein unschuldiger Klient wenig Geld hat, auf ein großes Honorar verzichten können.“
„Von mir aus sollen die Anwälte sehen, wie sie zu Geld kommen. Und die Brunos sehen eben zu, wie sie selbst zu ihrem Geld kommen. Aber ich sollte eigentlich nicht über die ganze Angelegenheit sprechen.“
„Warum denn nicht?“ fragte ich mit gespielter Naivität.
„Ach... Sie wissen doch, wie es mit den Versicherungsgesellschaften so ist.“
„Natürlich. Ich verstehe. Vielleicht sollten Sie lieber nichts mehr sagen. Ich muß ohnehin gehen. Vielen Dank für den Auftrag, Mrs. Bruno. Es war mir ein großes Vergnügen, gerade Ihnen die Prämie übergeben zu können. Einige Minuten lang fürchtete ich schon, wir würden den rechten Zeitpunkt verpassen.
Sie lachte nervös. „Mir ging es auch so, muß ich gestehen. Aber die Darstellung der Atomenergie und der Weltraumfahrt in Ihrem Prospekt ist wirklich wundervoll.“
„Sie werden bestimmt viel Freude an der Enzyklopädie haben.“ Damit verabschiedete ich mich.
Dann ging ich zum Büro der Verlagsanstalt und fragte: „Was geschieht mit diesem Vertragsformular hier?“ Ich wedelte mit dem unterschriebenen Kaufvertrag in der Luft.
„Der wird registriert“, antwortete der Mann am Schreibtisch, wobei seine Stimme Überraschung verriet.
Ich gab ihm den unterschriebenen Kaufvertrag, den er sich sorgfältig ansah.
„Das ist wirklich schnelle Arbeit, Mr. Lam. Sie sind doch kaum mehr als zwei Stunden tätig gewesen.“
„Ich weiß“, antwortete ich. „Aber ich liebe es, schnell zu arbeiten.“
„Nun, dann werden Ihre Beziehungen zu unserer Firma für beide Teile recht gewinnbringend sein.“
„Das glaube ich nicht“, antwortete ich.
„Warum denn nicht?“
„Für diese Objekte sind die Käufer nicht so leicht zu gewinnen. Es hat mich fast eine Stunde gekostet, bis der Kunde unterschrieb. Wenn ich schon von Tür zu Tür gehe, dann möchte ich wenigstens fünf Abschlüsse pro Tag machen.“
„Fünf Abschlüsse am Tag! Mann, wissen Sie eigentlich, welche Provision Sie für fünf Abschlüsse am Tage erhalten würden?“
„Natürlich weiß ich das. Schließlich arbeite ich als Vertreter, um Geld zu verdienen, und zwar eine Menge Geld!“
„Aber das verdienen Sie ja auch. Bei wieviel Leuten haben Sie wegen der Enzyklopädie vorgesprochen?“
„Nur bei diesem Kunden hier.“
„Nur bei einem einzigen?“
„Selbstverständlich. Ich vergeude doch keine Zeit an Leute, die als Käufer gar nicht in Frage kommen.“
„Das verschlägt mir die Sprache!“ Er sah sich verdutzt das Auftragsformular nochmals gründlich an.
„Sehen Sie mal her, Mr. Lam“, sagte er. „Sie haben die Kreditwürdigkeit nicht geprüft.“
„War das meine Aufgabe?“
„Natürlich. Sie garantieren schließlich für den Kredit, zumindest in Höhe Ihrer Provision.“
„Wie meinen Sie das?“
„Wir liefern die Enzyklopädie, behalten uns aber das Eigentumsrecht bis zur Zahlung der letzten Rate vor. Die Zahlungen erfolgen wöchentlich. Wird nicht gezahlt, bekommen Sie keine Provision.“
„Aber Sie geben den Kaufvertrag doch sicherlich weiter, so wie einen Wechsel?“
„Natürlich tun wir das; aber erst, wenn wir die Kreditwürdigkeit geprüft haben. Letzten Endes stehen wir für die Kaufsumme gerade. Wir garantieren sie.“
Ich grinste ihn an und sagte: „Mit anderen Worten — Sie haben eine Tochtergesellschaft, welche die Finanzierung übernimmt und der Sie die Kaufverträge übergeben.“
Er wurde rot im Gesicht, antwortete aber nicht.
„Also gut“, lenkte ich ein,
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