Das volle Risiko
komisch?“
„Er hat sich besonders für Sie interessiert.“
„Für mich? Kennt er mich denn?“
„Verstehen Sie mich bitte nicht falsch“, schränkte Kramer seine Bemerkung ein. „Ihren Namen hat er nicht genannt; aber er hat Sie ziemlich genau beschrieben.
„Er erkundigte sich besonders, ob wir einen Gast auf der Ranch hätten, der zum Flughafen zu fahren pflegt, um von dort aus zu telefonieren, der wenig Interesse für das übliche Urlaubsleben auf der Ranch zeigt und mehrfach abwesend ist.“
„Und haben Sie ihm dann von mir erzählt?“
„Natürlich nicht“, antwortete Kramer entrüstet. „Ich habe ihn so treuherzig wie ein unschuldiges Kind angesehen und ihm gesagt, die Gäste, die zu uns kommen, legen Wert auf Ruhe, wollen reiten und schwimmen. Dieser Herr scheint Rechtsanwalt zu sein und kommt aus Dallas. Den größten Teil des
Tages hockt er mit dem Gast zusammen, der an einer Unfallverletzung leidet. Ich weiß nicht, ob das reiner Zufall ist, daß er sich so sehr für Sie interessiert. Ist doch sonderbar; finden Sie nicht auch?“
Ich tat so, als wäre sein Bericht für mich ohne jede Bedeutung. „Wahrscheinlich ist er gar nicht an mir persönlich interessiert. Kann auch sein, daß er durch seine Fragen nur herausfinden wollte, ob nicht noch ein anderer Anwalt in einer ihn interessierenden Sache auf der Ranch anwesend ist.“
„Vielleicht ist das auch so“, meinte Kramer und setzte eine undurchsichtige Miene auf, und mit kaum spürbarem Unterton fuhr er fort: „Übrigens ist gestern ein Gast ganz plötzlich abgereist. Miß Doon fuhr ab, weil es ihrer Mutter sehr schlecht gehen soll. Sie flog dann aber nicht nach Los Angeles, sondern nach Dallas.“
„Abgereist? Schade, war ein nettes Mädchen“, erwiderte ich und tat so unbeteiligt wie möglich.
„Hm. Sagt Ihnen das nichts?“
„Wieso? Sagt es Ihnen etwas?“ fragte ich zurück.
Er grinste. „Stille Wasser sind tief. Ich halte viel von alten Volksweisheiten.“
„Von heute ab werde ich es mir richtig bequem machen und mich mehr den Pferden widmen“, lenkte ich ab.
Kramer ging darauf ein. „Ich werde dafür sorgen, daß man Ihnen ein gutes Pferd gibt. Ich selbst werde nicht so oft wie bisher mitreiten können. In den nächsten Wochen werde ich viel unterwegs sein. Pendelverkehr zwischen Flughafen und Ranch. Wenn Sie wieder einmal mitfahren wollen, läßt sich das leicht einrichten.“
Wir waren auf der Ranch angelangt. Ich stieg aus und bedankte mich bei Buck Kramer.
Ich fand mein Zimmer sauber und aufgeräumt vor, wie ich es verlassen hatte. Nachdem ich mich gewaschen und umgezogen hatte, schlenderte ich etwas umher, um Dolores Ferrol abzufangen, damit sie mir sagen konnte, was es Neues im Zusammenhang mit Helmann Bruno gab. Vorher wollte ich nicht mit ihm Kontakt aufnehmen.
Dolores war ausgeritten. Sie tat das gelegentlich, wenn sie es für notwendig hielt, einige Damen mit der zwanglosen Art des Tagesablaufs auf der Ranch vertraut zu machen.
Als ich zurückkam, stand ein Herr vor meiner Zimmertür und versuchte, das Schnappschloß aufzuschließen.
Er wandte sich mir mit freundlichem Lächeln zu. „Irgend etwas ist mit diesem Schlüssel oder dem Schloß nicht in Ordnung. Ich versuche es schon eine Weile und bekomme die Tür einfach nicht auf.“
Dann machte er sich wieder an der Tür zu schaffen, um plötzlich überrascht zu sagen: „Ach, du liebe Güte! Kein Wunder! Das ist ja auch die falsche Tür. Ich leide doch sonst nicht an Orientierungsmangel.“
Als ich meinen Schlüssel hervorholte, tat er erstaunt und betreten: „Jetzt sagen Sie mir nur noch, daß dies hier Ihr Zimmer ist.“
„So ist es.“
„Oh, Verzeihung. Dann ist der Irrtum wohl dadurch entstanden, daß wir Nachbarn sind. Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle: Mein Name ist Melvin, ich komme aus Dallas. Mit Vornamen heiße ich Alexis Bott. Können Sie sich vorstellen, daß es vernünftige Eltern gibt, die einem Sprößling derartige Vornamen zumuten?“
„Sie sind Anwalt, nicht wahr, Mr. Melvin?“
„Das stimmt. Wie, in aller Welt, haben Sie das erraten?“
„Einfach aus der Art Ihres Verhaltens.“
„Alle Achtung! Und mit wem habe ich die Ehre?“
„Mein Name ist Lam, Donald Lam.“
Er streckte mir seine Hand entgegen und drückte die meine überschwenglich.
„Sie verleben sicherlich Ihren Urlaub hier, Mr. Lam?“
„Wie man es nimmt. Auf gewisse Weise schon. Und Sie sind wohl beruflich hier, Mr. Melvin?“
„Hm...“
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