Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte
Aber als dann zwei blonde, traurige Buben aus dem Zelt krochen, hatte er anscheinend doch Mitleid, und er erlaubte uns schließlich doch zu bleiben. Dafür mussten wir ihm hoch und heilig versprechen, kein Feuer zu machen und auch keinen Unrat herumliegen zu lassen. Glücklich, nicht heimfahren zu müssen, nickten wir zu allem brav und waren auch wild entschlossen, diesen Anweisungen Folge zu leisten.
Also kochten wir auf unserem kleinen Esbit-Kocher Tee zum Frühstück, was natürlich unendlich lange dauerte. Das Wasser dafür holten wir stolz aus unserem selbstgegrabenen Brunnen. Brot, Wurst und was wir sonst noch zum Frühstück brauchten, hatten wir von zu Hause mitgebracht. Zum Mittagessen gab es Erbswurstsuppe, solange unser Vorrat reichte. Erbswurst war eine wurstförmige grüne, gepresste Masse, die wir in größerer Menge dabeihatten und die wir nur im Wasser aufkochen mussten. Je nachdem, wie viel Wasser wir dazugaben, hatten wir entweder Erbsenbrei oder Erbsensuppe. Dazu gab es anfangs noch Wiener Würstchen oder einfach nur ein Stück Brot. Jedoch waren bei unserem Appetit nach vier Tagen die meisten mitgebrachten Vorräte aufgegessen, und wir waren gezwungen, einkaufen zu gehen oder besser gesagt: einkaufen zu rudern, denn auf der gegenüberliegenden Seite des Sees war ein Campingplatz mit einem kleinen Supermarkt.
Da es an diesem Tag gegen Mittag aufgehört hatte zu regnen und nachmittags sogar die Sonne ein bisschen durch die Wolken spitzte, war zum ersten Mal das Schlauchboot meines Cousins einigermaßen getrocknet. Weil er wenigstens einmal eine Nacht nicht auf einer feuchten Unterlage schlafen wollte, bat er mich, doch mit der Luftmatratze über den See zu paddeln. Ich war zwar nicht gerade begeistert, aber ich hatte schon Verständnis. Es reichte ja schon, dass das ganze Schlafzeug, unsere Trainingsanzüge und auch meine Wolldecke dauerfeucht waren. Ich machte mich also fertig für meine Odyssee. Nur mit Badehose, Rucksack, Pfanne und Kochtopf ausgerüstet stieg ich daher rittlings auf meine Luftmatratze. Pfanne und Kochtopf? Ach ja, wir hatten keine Ruder. Die waren bei dem Tombolagewinn nicht inbegriffen gewesen, und die Eltern von Fredi waren der Meinung, dass wir die eh nicht auf den Fahrrädern hätten transportieren können. Also ruderten wir das Boot nicht mit Rudern, sondern mit unserer Pfanne und unserem Kochtopf.
Die Luftmatratze knickte natürlich durch die Belastung in der Mitte ein, so dass ich das Kopfteil nun vor meiner Brust hatte, selber bis zum Bauch im Wasser saß und der Rest der Matratze an meinem Rücken senkrecht in die Höhe stand. So hatte ich die mehreren hundert Meter bis zum anderen Ufer zurückzulegen.
Als ich anfing zu rudern, kam ich kaum vorwärts. Dafür schlingerte ich erste einmal nur hin und her und drehte mich mit meinem sonderbaren Gefährt um die eigene Achse, so dass ich kaum das Gleichgewicht halten konnte. Anfangs konnte ich mich im seichteren Wasser mit den Füßen ja noch etwas abstützen, doch als der Boden langsam unter mir verschwand, wurde es immer wackeliger.
Ich ruderte mit beiden Armen so gleichmäßig wie möglich, und das Drehen hörte immerhin auf, doch obwohl es sehr anstrengend war, kam ich nur äußerst langsam vorwärts. Dazu kam, dass die Pfanne einen wesentlich größeren Durchmesser hatte als der Kochtopf und ich dadurch immer weiter nach links abdrehte. Um das auszugleichen, zog ich mit dem rechten Arm etwas weiter durch.
Ich hatte so schließlich immerhin zweihundert Meter zurückgelegt, als ich ein überraschendes, blubberndes Pfffff vernahm.
Entweder war der Druck für unseren selbstgeschnitzten Holzstöpsel zu groß geworden, oder ich hatte ihn mit meinem rechten Arm durch die extreme Ruderbewegung herausgerissen – jedenfalls hatte er sich irgendwie entfernt, und die Luft entwich unaufhaltsam aus dem Mundstück der Matratze.
Seltsam still und leise versank ich plötzlich im See, samt Rucksack und Kochgeschirr.
Eigentlich wäre das ja kein wirkliches Problem für mich gewesen, da ich ein sehr guter Schwimmer war. Aber ich war natürlich bemüht, die Matratze – die mir nicht gehörte – und unser Kochgeschirr – das wir noch dringend brauchten – irgendwie wieder zum Ufer zurückzubringen.
So lag ich also mit dem Kinn auf dem noch schwimmenden Kopfteil, in der linken Hand die Pfanne, in der rechten den Topf. Erschwert wurde das Ganze durch das lasche Matratzenteil, das mir unter dem Bauch schlabberte und laufend zwischen
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