Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
Vom Netzwerk:
Wüstentempel gezeigt hat.
    Oder, wie die Abnaa Al Salieb den Ort nennen, die Zuflucht.« Der Großmeister trank einen Schluck Wein.
    »Der Mann war ein Verräter und hatte den Tod verdient. Bis vor kurzem hatte er in unseren Diensten gestanden wie auch andere, ähnlich den Stummen. Er war zum christlichen Glauben übergetreten, aber das war nur eine Geste. Innerlich blieb er eine habgierige Kreatur und bestahl seine Brüder. Dafür sollte er bestraft werden, aber vorher floh er mit seinem Weib nach Kairo. Wir hatten gerade durch einen abtrünnigen Beduinen von der Zuflucht erfahren, und Abul hatte es mitbekommen. Nachdem er den Ort für Geld an euch verraten hatte, mußten wir befürchten, daß er auch andere Geheimnisse unseres Ordens verkaufen würde. Deshalb haben wir Jamal, Ibrahims Sohn, entsandt mit dem Auftrag, ihn für immer zum Schweigen zu bringen. Jamal ist nie zu uns zurückgekehrt. Wissen Sie, was mit ihm geschehen ist?«
    Ich spürte Ibrahims fragenden Blick und sagte leise:
    »Nach seiner Tat wurde auch er getötet.«
    Daß ich ihn gerichtet hatte, verschwieg ich wohlweislich. Ibrahims Züge verhärteten sich, und ich sah ihn einen Moment lang am ganzen Leib zittern, als das zur Gewißheit wurde, was er wohl schon längst vermutet hatte. Meine Worte hatten den letzten Rest Hoffnung auf eine Rückkehr seines Sohns zerstört.
    Bevor Fragen zu den genaueren Umständen von Jamals Tod gestellt werden konnten, wechselte ich schnell das Thema: »Ist der Orden auch für den Aufstand von Kairo verantwortlich?«
    »Lassen Sie mich es so sagen«, leitete der Großmeister seine Antwort ein. »Wir haben die ohnehin erregte Stimmung noch ein wenig geschürt und dafür gesorgt, daß der Zorn der Menge sich auch gegen Bonapartes Palast richtete.« Ich dachte an die verwüstete Stadt, die Brände und Plünderungen, an all die toten Araber und Franzosen.
    »Ist es mit den christlichen Tugenden vereinbar, einen Aufstand anzuzetteln, bei dem es Hunderte von Toten gibt, darunter viele Christen?«
    »Alle Menschen sind Sünder, das gilt auch für meine Brüder und mich. Aber was wir tun, tun wir für einen höheren Zweck, und deshalb werden uns unsere Sünden vergeben werden.«
    »Greueltaten bleiben Greueltaten, ganz gleich, warum sie begangen werden«, erwiderte ich, aufgebracht angesichts eines solchen Maßes an menschenverachten-der Frömmelei. »Wenn es ein Fegefeuer gibt, du Lac, werden Sie und Ihre Brüder lange darin schmoren!«
    De Montjean schlug mit der Faust auf den Tisch.
    »Müssen wir uns von dem da beleidigen lassen? Wir sollten ihn …« Ich erfuhr nicht, welchen unschönen Vorschlag der entstellte Kreuzritter in bezug auf meine Person machen wollte, denn plötzlich drang der harte Schlag von Pferdehufen auf Stein an unsere Ohren und ließ ihn verstummen.
    Als die Ordensritter sich erhoben und zu den Fen-stern gingen, folgte ich ihnen und blickte auf den Burghof hinaus. Ich sah einen Reiter, allein, wie auch ich es gewesen war. Aber es war zu dunkel, um ihn zu erkennen.

37. KAPITEL
    Ein doppeltes Spiel
    brahim ging hinaus, um den Reiter in Empfang zu I nehmen. Offenbar waren die Kreuzritter nicht weniger überrascht als ich, und gebannt lauschten wir den Schritten Ibrahims und des Neuankömmlings auf der Treppe. Und zu meinem größten Erstaunen sah ich hinter dem Araber Onkel Jean den Speisesaal betreten. Mit offenem Mund starrte ich ihn an, unfähig, auch nur ein Wort herauszubringen.
    Er sah müde und abgekämpft aus, schmutzig und unrasiert, mit einem Wort: Er war in einer ähnlichen Verfassung wie ich. Was nicht verwunderlich war, hatte er doch dieselben Strapazen hinter sich. Eine andere Erklärung gab es nicht. »Das ist der andere Mann aus der Zuflucht!« rief Roger de Montjean. »Auch er hat gegen unsere Brüder und mich gekämpft!« Er drehte sich zu mir, die narbige Fratze dicht vor meinem Gesicht. »Hast du ihn mitgebracht?«
    Mein Onkel übernahm es zu antworten: »Das hat er, aber unwissentlich. Als er sich aus dem Haus stahl –
    drei Nächte ist das her – und in die Wüste ritt, bin ich ihm ebenso heimlich gefolgt. Mein Neffe dachte, er könnte seinen Gemütszustand vor mir verbergen, aber er hat vergessen, wie lange ich ihn kenne.«
    Ich erinnerte mich an die Staubwolke, die ich für einen Augenblick durchs Fernrohr gesehen hatte und die dann verschwunden war. Ich hatte an eine Sinnestäuschung geglaubt – fälschlicherweise.
    »Was willst du hier?« fuhr de Montjean meinen Onkel an.

Weitere Kostenlose Bücher