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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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sehen?«
    »Einverstanden«, entschied du Lac. »Wir bringen Sie zu ihr.«
    Die Ritter führten uns über mehrere Treppen in ein unterirdisches Verlies und öffneten eine schwere Tür, die mit einem gewaltigen Riegel verschlossen war. Der fensterlose Raum dahinter wurde von einer flackernden Kerze erhellt. Vor einem Lager aus Stroh und Decken stand Ourida und starrte uns entgegen.
    Sie sah mitgenommen aus, mit tiefen Ringen unter den Augen. Ihre linke Wange war angeschwollen; offenbar hatte man sie geschlagen. Aber sie lebte und schien nicht ernsthaft verwundet zu sein – das wog alles andere auf! Ibrahim kam mit ein paar zusätzlichen Decken, aus denen er zwei weitere Nachtlager herrich-tete. Als er die Zelle verlassen hatte, schlossen die Kreuzritter die Tür und wir hörten das Schaben des schweren Riegels.

    »Ihr könnt euch gern in die Arme fallen«, sagte Onkel Jean. »Oder soll ich mich abwenden?«
    Ich trat auf Ourida zu und legte meine Arme um sie, ganz vorsichtig, weil ich ihr keine Schmerzen zufügen wollte. Möglicherweise hatte sie Verletzungen davongetragen, die ich nicht sah. Als aber unsere Körper einander berührten, verflog alle Zurückhaltung. Ich klammerte mich an sie wie ein Ertrinkender an seine Retterin, und ihr erging es genauso. Wie lange wir so dastanden, ist schwer zu sagen; es müssen etliche Minuten gewesen sein. Was immer ich gegen meinen Onkel vorbringen konnte, ich mußte ihm anrechnen, daß er uns nicht störte.
    Irgendwann brachte ich heraus: »Dein Onkel Jussuf, Ourida, er ist tot.«
    »Ich weiß. Ich habe es gesehen, obwohl ich nicht dabei war. Es war schrecklich. Aber ich bin froh, daß du lebst!«
    Jetzt meldete sich Onkel Jean doch zu Wort: »Sieh an, sie kann sprechen, und dann auch noch französisch.
    Kompliment für Ihre Schauspielkunst, Mademoiselle.«
    Da Ourida schwieg, erwiderte ich: »Sie sind ein noch viel besserer Schauspieler, Onkel! Was haben Sie mir nicht alles vorgespielt. In Kairo haben Sie vor ein paar Tagen erst so getan, als hörten Sie zum ersten Mal, daß das Wahre Kreuz von Beduinen versteckt wird. Dabei hatten Sie das längst in einem Buch gelesen.«

    Onkel Jean schaute mich betreten an. »Ja, das Buch.
    Ich hatte es gut im Regal versteckt, aber mit dem Vanda-lismus des aufgestachelten Mobs habe ich nicht gerechnet. Dumm, daß es dir in die Hände gefallen ist. Oder auch nicht, denn sonst wären wir jetzt vielleicht nicht hier. Kompliment übrigens, wie du die Festung gefunden hast. Als ich den zerstörten Kompaß entdeckte, habe ich mir ernsthafte Sorgen gemacht. Wie hast du den Rest des Weges so zielsicher zurücklegen können?«
    »Ich bin einfach dem Stern gefolgt.«
    »Welchem Stern?«
    »Dem, der besonders hell leuchtete und direkt über der Festung stand.«
    »Tut mir leid, aber einen solchen Stern habe ich nicht bemerkt.«
    »Aber er war da!«
    Ourida drückte meine rechte Hand. »Vielleicht hat er nur für dich geleuchtet, Liebster. Vielleicht kam das Licht aus dir selbst. Das Schicksal hat dich zu mir ge-führt.«
    »Mag sein. Wichtig ist doch nur, daß ich bei dir bin«, sagte ich und wandte mich wieder an Onkel Jean.
    »Hören Sie endlich auf zu heucheln! Sie wollen sich Sorgen um mich gemacht haben? Daß ich nicht lache!
    Als Bonaparte das Lager der Abnaa Al Salieb beschos-sen hat und ich mittendrin war, haben Sie nichts unter-nommen!«
    »Das konnte ich nicht, Bastien! Bonaparte hat mich hintergangen. Es war gegen unsere Abmachung, das mußt du mir glauben! Er hatte mir zugesagt, dich zu befreien, bevor er einen Großangriff befiehlt, aber als er seine Truppen und Kanonen in Stellung gebracht hatte, hat er den Plan geändert.
    Er meinte, die Gelegenheit sei zu günstig, um nicht anzugreifen; wenn er erst versuche, dich herauszuholen, könnten die Beduinen gewarnt werden. Ich beschwor ihn, sich trotzdem zuerst um dich zu kümmern, aber er ließ sich von seinem Entschluß nicht abbringen. Genauso ist es gewesen, glaub mir!« Er mochte recht haben.
    Aber das änderte nichts an der Tatsache, daß mein Onkel mich hintergangen und gemeinsame Sache mit General Bonaparte gemacht hatte. Ich fühlte mich ausge-nutzt, und Zorn kochte in mir hoch. Unwillkürlich ballte ich die Fäuste und stand kurz davor, auf meinen Onkel einzuschlagen. Aber er war auch der Mann, dem ich mein Leben verdankte. Dieses Wissen und die Erinnerung an alles, was er für mich getan hatte, hielten mich zurück.
    »Was ist das für eine Abmachung zwischen Bonaparte und

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