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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Hilfe eilen, doch ein Ritter auf einem rabenschwarzen Pferd war schneller als ich und trennte mit einem kräftigen Schwerthieb den Kopf des Leutnants vom Rumpf.
    Mir stockte der Atem, als ich sah, wie Dumonts Haupt den abschüssigen Boden der Senke hinabrollte.
    Der Leib, obwohl ohne Kopf, hielt noch den Säbel in der Hand und schien die Waffe zu seinem letzten Streich heben zu wollen, brach dann aber kraftlos zusammen.
    Der Ritter auf dem schwarzen Pferd hatte mich erspäht, hielt auf mich zu und schwang sein blutiges Schwert. Ein zweiter Ritter, ebenfalls zu Pferd, sprengte von links auf mich zu, die Lanze zum Stoß angelegt.
    Gegen einen hätte ich mich vielleicht verteidigen können, aber nicht gegen beide zugleich. Ich machte auf dem Absatz kehrt und lief in die Senke hinein.
    Auf ebenem, festem Boden hätten die Reiter mich innerhalb kürzester Zeit eingeholt. Auf dem steinigen Untergrund aber mußten sie höllisch achtgeben, wollten sie nicht ihre Pferde verlieren. Deshalb konnte ich den Abstand zu ihnen eine ganze Weile halten, während es um mich herum immer schwärzer wurde. Ich bekam kaum noch Luft. Meine Augen, die Nase und der Mund waren mit Sand verklebt. Ich spuckte, hustete und keuchte, aber ich lief weiter, beseelt von der vielleicht wahnwitzigen Hoffnung, die Dunkelheit des Sturms könnte mich vor meinen Verfolgern verbergen.
    Dann aber stolperte ich über einen großen Stein und fiel zu Boden. Als ich wieder aufstand, war der Ritter mit der Lanze schon heran und stieß zu. Der Lanzenspitze konnte ich im letzten Moment ausweichen, aber der Schaft streifte meinen Kopf, und ein heftiger, übel-keiterregender Schmerz durchfuhr mich. Ich stand noch aufrecht, doch meine Glieder schienen wie gelähmt, und das erbeutete Schwert entglitt meiner kraftlosen Hand.
    Der zweite Verfolger preschte heran und hob seine Waffe, an der noch Dumonts Blut klebte, zum tödlichen Hieb. Er trug keinen Helm mehr. Entweder hatte er ihn verloren, oder er hatte ihn abgestreift, um besser sehen zu können. Ich blickte in ein hageres, narbiges, mitleidloses Antlitz – das Gesicht meines Henkers.
    Oder doch nicht? Plötzlich strauchelte er und fiel neben mir aus dem Sattel. In seinem linken Auge steckte ein gefiederter Pfeil.
    Ich sah mich nach dem Lanzenreiter um, der gerade sein Pferd wendete. Aber noch bevor er mich erreichen konnte, waren andere Reiter bei ihm, ebenfalls in we-hende Gewänder gekleidet und, wie es schien, mit Schwertern und Lanzen bewaffnet. Ein heftiger Kampf entspann sich, dessen Ende ich nicht mitbekam. Der stechende Schmerz kehrte zurück, und mir wurde schwarz vor Augen. Ich sank zu Boden. Als ich wieder zu mir kam, wütete noch immer der Chamsin. Ich kauerte am Boden und sah mehrere Reiter in weiten Mänteln auf mich zuhalten. Ich wollte mich erheben, doch meine Glieder versagten mir den Dienst. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Reiter zu erwarten.

TEIL II

14. KAPITEL
    Abbé Jean
    ch befand mich in einem seltsamen Zustand, ir-I gendwo zwischen Schlafen und Wachen, zwischen Traum und Wirklichkeit. Hatte mein Geist sich ver-dunkelt, war er verschmolzen mit dem düsteren Himmel des Chamsins?
    Nur als schemenhafte Umrisse nahm ich die Gestalten wahr, die mich umringten. Ihre Gewänder flatterten im Wind wie die Fahnen einer Gespensterarmee. Aber sosehr ich mich auch anstrengte, ihre Gesichter vermochte ich nicht zu erkennen. Sie blieben undeutlich, aufgetaucht aus einer anderen Welt und dazu bestimmt, wieder dorthin zurückzukehren.
    Sie griffen nach mir und wickelten mich in ein Tuch, das wohl das Peitschen des Sandsturms etwas lindern sollte. Dann hoben sie mich hoch, auf ein Pferd, und banden mich fest. Anders hätte ich mich auch nicht im Sattel halten können. Jemand faßte mein Pferd am Zü-
    gel. Wir verließen die Senke, ohne daß ich Weg oder Richtung erkannt hätte. Um mich her war nichts als Wind, Sand, Dunkelheit und Sturmgeheul.
    Irgendwann ließ der Sturm nach, aber der Himmel hellte sich nicht auf. Hatte der Chamsin die Wüste mit immerwährender Finsternis überzogen?
    Erst als meine Begleiter von den Pferden stiegen und ein Lager aufschlugen, begriff ich, daß es längst Nacht geworden war. Der Sturm hatte sich gelegt, und ich konnte wieder frei atmen. Die nächtliche Kühle, die an die Stelle der Gluthitze getreten war, erwies sich als Wohltat. Zwar sagte mir eine innere Stimme, daß es bald bitterkalt werden würde, aber ich scherte mich nicht darum. Im Augenblick genoß ich es

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