Das wahre Leben
die Schamlippen, öffnete sie. Konnte sie überhaupt noch feucht werden? Konnte man diesen Körper schön finden? Konnte man ihn begehren?
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«WeiÃt du, dass es Männer gibt, die auf gelähmte Frauen stehen?»
«Sierra!»
«Ich meine ja nur. Ich erfinde die Realität nicht. Ich erkenne sie nur.» Sierra zuckte mit den Schultern. «Sex kann man lernen, weiÃt du.»
Das war es, dachte Nevada. Sie müsste alles neu lernen. Sie müsste noch einmal ganz von vorn anfangen. Wenn es dafür nicht zu spät war.
Sie versuchte, sich an Sex zu erinnern. Es war so lange her. Sie hatte philosophische Gründe vorgeschoben, als sie damit aufgehört hatte. Brahmacharya, Enthaltsamkeit, hatte ihre Energie zum Ãben freigesetzt, zum Unterrichten. Vor allem aber hatte sie ihr Leben einfacher gemacht. Nevada hatte Sex immer anstrengend gefunden, nie selbstverständlich. Sie hatte versucht, sich dem hinzugeben, was vom anderen kam â sie spürte, was er wollte, wie sie sich bewegen sollte â sie versuchte, es recht zu machen. Darin war sie gut. Sie übte Sex, wie sie Ballett geübt hatte und später Yoga. Ernsthaft, ausdauernd, unermüdlich. Zum Glück waren die meisten Männer, die sie in der Yogaszene kennenlernte, zu sehr mit sich selbst beschäftigt, zu sehr in ihre eigenen Körper verliebt, um zu merken, wie sehr Nevada sich anstrengen musste.
Sie wusste nichts. Sie wusste nicht einmal, was sie wollte.
«Ich verrate dir etwas», sagte Sierra. «Ich habe gar keinen Spaà mehr daran. Nicht seit Pierre.»
Pierre Fankhauser.
«Sierra, das war vor zwei Jahren!»
Sierra zuckte wieder mit den Schultern. «Es fehlt mir nicht», sagte sie. «Ich habe in meinem Leben genügend Sex gehabt. Was man von dir nicht behaupten kann.»
Nevada schüttelte den Kopf.
«Siehst du, genau dafür, für solche Situationen, für solche Frauen mache ich das, was ich hier mache. Wenn du dich ausprobieren willst, wenn du etwas üben willst, hier bist du am richtigen Ort. Hier findest du die richtige Umgebung, um deine Wünsche umzusetzen, in aller Freiheit und Anonymität.»
«Ist das aus deiner Pressemitteilung?»
Das Medieninteresse an einem Freudenhaus für Frauen war, wie erwartet, riesig. Sierra wollte die Aufmerksamkeit nutzen und so schnell wie möglich eröffnen. Der Umbau musste warten, sie würde nur umstellen und anders dekorieren. Nevada war froh, dass sie bald umziehen konnte. Sobald sie ihr Zimmer verlieÃ, war sie von schwarzem Samt und Leder umgeben.
Nevada schüttelte noch einmal den Kopf. Schon bereute sie, dass sie Sierra um Rat gefragt hatte. Was hatte sie sich vorgestellt? Dass ihre Schwester etwas Unverbindliches sagen würde? «Mach dir keine Sorgen, Sex verlernt man nicht, das ist wie Radfahren», zum Beispiel. Aber das war es ja: Nevada war nie Rad gefahren. Nicht ohne Stützräder.
«Warum nutzt du meine Expertise denn nicht? Ist doch nichts dabei. Jetzt stell dir doch einfach mal vor, ich wäre Polizistin und du hättest deine ParkbuÃen nicht bezahlt â¦Â»
«Was für ein idiotischer Vergleich!»
«Also gut, dann sagen wir, wenn ich Gärtnerin wäre, und deine Balkonpflanzen wären vertrocknet â¦Â»
«Sierra!»
«Ist ja schon gut. Tut mir leid. Ich wusste ja nicht, dass du eine solche Mimose bist. Aber warte, mir fällt etwas ein. Ich hab heute den ganzen Tag Vorstellungsgespräche. Ich bin dabei, meine Mannschaft zusammenzustellen â¦Â» Sierra kicherte. «Mannschaft â¦! Entschuldige. Jedenfalls habe ich schon ein paar Frauen aufgeboten, die mich dabei unterstützen, aber ehrlich gesagt, ich könnte deine Hilfe gebrauchen.»
«Was soll ich tun?» Nevada stellte sich vor, dass sie Personalien aufnehmen, Vorgespräche führen würde. Stattdessen führte Sierra sie in eins der früheren Behandlungszimmer. Es war jetzt von einem Wasserbett, wie Sierra es in ihrem Zimmer hatte, beinahe ausgefüllt. Auf dem Bett lag eine Felldecke, über dem Bett war ein Spiegel angebracht. Rundherum brannten Kerzen.
«Sierra, hier sieht es genauso aus wie in deinem Schlafzimmer! Ist das nicht komisch?»
«Warum? Ich mag mein Schlafzimmer. Es funktioniert.» Sierra setzte sich auf die Matratze, die sanft schaukelnd unter ihr nachgab. «AuÃerdem habe ich gewisse Verbesserungen anbringen lassen, schau
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