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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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schliefen, weiß ich nicht. Seidenhand hatte ein Zimmer für sich, doch Chance, Yarrel und ich teilten uns einen Raum mit mehreren Betten, der von der Größe her als Festivalhalle hätte dienen können. Vielleicht war Chances Schnarchen schuld – er hatte die Angewohnheit, bisweilen wie ein Herold zu trompeten, um dann alsbald ein langes, rasselndes Brüllen wie die Trommler auf dem Schlachtfeld auszustoßen, so daß ich in der Nacht erwachte und horchte, ob nicht gleich die Querpfeifen einsetzten. Deshalb spürte ich auch immer wieder das Prickeln des Dämons in meinem Kopf, tiefer und noch tiefer, bis meine Arme und Beine zuckten und sich wanden und ich das Gefühl niederkämpfen mußte, mich zu kratzen. Wonach sie suchten, weiß ich nicht, außer daß Seidenhand auch davon erwachte, wie ein Totengespenst an mein Bett trat, schlank und weiß in ihrem Nachtgewand, und sich den Kopf rieb, als ob er schmerze.
    »Oh, sie haben’s immer wieder auf mich abgesehen«, beklagte sie sich. »Alles, was ich weiß und denke, trage ich offen wie einen Krug Wasser oben auf dem Kopf, aber sie graben tiefer und tiefer, gerade so, als ob ich irgendwo noch einen Gedanken vor ihnen versteckt hätte.«
    »Ist das möglich?« fragte ich. »Kann man seine Gedanken vor einem Dämon verbergen?«
    »Oh, manche behaupten, sie könnten ein Wortspiel aufsagen, angestrengt über ein Spiel oder ein Sprichwort nachdenken oder den Index rezitieren und dahinter ihre tieferen Absichten verbergen. Ich habe es noch nie probiert und auch noch nie einen Dämon danach gefragt. Aber dieses ständige Herumgebohre in mir beweist, daß sie so etwas zumindest für möglich halten. Ich wünschte, sie ließen mich schlafen.«
    »Hat Himaggery nicht gesagt, daß der Hochkönig den Verdacht schöpfen könnte, er habe ihm einen Spion geschickt, falls es sich um keinen Heiler handelt? Vielleicht vermuten sie es trotz alledem.«
    »Meinetwegen mögen sie denken, was sie wollen. Der gesunde Menschenverstand könnte sie etwas Besserem belehren, und ich wünschte, sie ließen es bis morgen auf sich beruhen und mich schlafen. Komm, laß mich zu dir ins Bett, du kannst mich massieren.«
    So legte sie sich neben mich auf den Bauch, und ich massierte ihr die Rippen und den Rücken. Dies hatte ich bei Mandor auch getan, und es machte keinen Unterschied bei Seidenhand, außer daß ihre Hüften im Gegensatz zu den seinen schwollen und sie kleine schnurrende Laute von sich gab, was er nicht getan hatte, so daß wir schließlich Seite an Seite wie zwei Kätzchen einschliefen. Yarrel konnte sich am Morgen vor lauter Stichelei kaum beherrschen, bis sie ihm sagte, er solle sein Mundwerk zügeln und still sein. Sein Spott brachte mich darauf, daß ich beim nächsten Mal, vorausgesetzt, Seidenhand war einverstanden, vielleicht nicht so rasch einschlafen würde, aber weiter reichten meine Gedanken nicht.
     
    Der Seher erschien bei unserem Frühstück, mit Gaze und allem, um uns anzustarren, die Augen glitzernd hinter den aufgemalten Flügeln. Wir seufzten und versuchten, ihn nicht zu beachten – oder sie, denn es konnte sich auch um eine Frau handeln, die starrte und starrte, ohne ein Wort zu sagen, und schließlich fortging. Danach erschien ein Examinierer, um uns über Himaggery und unsere Reise sowie über die Schlacht auf der Ebene und über alles auszufragen, was wir jemals im Leben gedacht oder getan hatten. Und danach kam das Mittagessen und dann eine Audienz bei dem Hochkönig, der, wie es aussah, entschieden hatte, daß wir ihn oder seine Domäne nicht zerstören wollten.
    Zu ihm fühlte ich mich nicht hingezogen wie zu Himaggery. Der Hochkönig war ein großer Mann mit finsterem Gesicht in dem sich tiefe Furchen von der Nase zum Kinn hinabzogen, die seinen Mund wie Gräben einklammerten. Seine Nase war lang und groß, und die Augen verbargen sich unter schweren bläulichen Lidern. Er war nicht erfreut, uns zu sehen, und die ganze Fragerei in unseren Köpfen hatte sein Mißtrauen nicht ganz ausräumen können, denn als allererstes mußten wir ihm noch einmal erzählen, was alles passiert war, seitdem wir damals von der Mutterbrust entwöhnt worden waren.
    »Ihr kommt also von dem Zauberer Himaggery?« fragte er noch einmal. »Der wohl immer noch denselben Blödsinn verzapft, was? Daß Könige keine Könige sein sollen, zum Beispiel. Diejenigen von uns, die zum König geboren wurden, sehen das allerdings anders.« Er beobachtete uns mit zusammengekniffenen Augen, als

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