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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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deinem eigenen Schutz«, sagte er. »Schließlich bist du nicht aus freien Stücken bei uns. Vielleicht planst du, dich nachts davonzuschleichen. Doch allein in diesen Bergen herumzuirren – nun, ich weiß nicht so recht. Denk an die Abgründe, die wilden Tiere, die quadrumanna. Wir wollen dir kein Leid antun, und du bist wesentlich sicherer bei uns aufgehoben.«
    Ich erhielt ausreichend zu essen. Das aus Schnee geschmolzene Wasser roch nach Kiefer, aromatisch wie Tee, und es gab in Asche gebackenes Brot, auch Fleischstücke von der Jagdausbeute des Tages. Der Waffenträger hatte ein kleines Tier mit Hufen erbeutet, das ich nicht kannte. Sie nannten es ›Gebirgszeller‹ und sein Fleisch ›Thorp‹.
    Ich befürchtete, nicht schlafen zu können, nicht einmal einen Augenblick, wachte dann aber plötzlich in der kühlen Morgendämmerung auf und glaubte, nur Sekunden seien verstrichen. Ich hatte die ganze Nacht durchgeschlafen, ohne die Fesseln zu spüren, und war so erschöpft gewesen, daß nichts mich während der dunklen Stunden hatte aufwecken können. Nun machte ich mir Gedanken über Seidenhand und Windlow und überlegte, wie es ihnen gehen mochte und ob sie wohl schon weit weg auf dem Weg zur Leuchtenden Domäne waren. Der Dämon bedachte mich mit einem stirnrunzelnden Blick, als ob meine Gedanken nicht ganz seinen Erwartungen entsprächen. Aber was erwartete er eigentlich? Ich wußte ja nicht einmal, warum man mich gesucht hatte, und noch viel weniger, welche Erwartungen man an mich richtete. Es konnte nichts schaden, wenn ich versuchte, es herauszufinden. Als wir weiterritten, versetzte ich das Pferd in einen unbeholfenen Galopp, bis ich mich neben dem Dämon befand. Es war, als ritte ich neben einem Riesen. Er hatte in der Raststation eines der riesigen Pferde mit Federbüscheln an den Fußgelenken gewählt, das Yarrel damals sofort als eine Bannerwellsche Züchtung erkannt hatte. Ich dachte, daß es dem weißen Pferd nicht schaden konnte, sich wie ein Zwerg zu fühlen. Eine Übung in Bescheidenheit. Ich hatte ihm noch nicht verziehen.
    »Ich würde mich weniger verwirrt fühlen, werter Herr, wenn Ihr mir sagen könntet, warum man mich sucht. Warum reiten wir nach Bannerwell? Ich habe nichts verbrochen, wodurch ich mir die Feindschaft von jemandem hätte zuziehen können …« Ich ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen, um nicht allzu bittend zu wirken. Der Dämon preßte die Kiefer zusammen, und für einen Moment dachte ich, er werde mir überhaupt nicht antworten. Dann sagte er widerwillig:
    »Man sucht dich nicht aus Feindschaft, Junge. Warst du nicht ein enger Freund meines Prinzen Mandor? Weißt du, daß er verletzt wurde?« Er warf mir aus den Augenwinkeln versteckt einen prüfenden Blick zu, als wolle er sehen, was ich davon hielt.
    »Das hat man mir erzählt.« Es erschien mir klug, nicht zu viel zu sagen. »Ich wurde ebenfalls verletzt.« Ich wäre kein Mensch gewesen, hätte meine Stimme nicht schroff geklungen. Ohne Mertyn wäre ich mehr als verletzt worden. Ich hätte tot sein können.
    Der Dämon zuckte ärgerlich zusammen, die kleinen Muskeln seines Kiefers hüpften auf und nieder, als kaue er an etwas Zähem. »Ja. Nun, jedenfalls bist du besser geheilt als er. Während des Festivals befanden sich in der Schulstadt keine Heiler, und es dauerte lange, einen aufzutreiben, und noch länger, einen zu finden, der genug Erfahrung besaß.« Der kleine Muskel schnappte und schnappte. »Er ist immer noch nicht geheilt. Vielleicht kannst du ihm dabei helfen.«
    »Ich bin kein Heiler!« rief ich erstaunt. »Im Augenblick bin ich überhaupt noch nichts.«
    Schnapp, schnapp, machte sein Kiefer, als er das Gesicht versteinert abwandte. Schließlich sagte er: »Vielleicht hilft ihm ja deine Gegenwart. Als Freund. Er braucht Freunde.«
    Ich konnte den Gedanken nicht unterdrücken. Er loderte in mir hoch wie ein Buschfeuer. Er, der meinen Tod wollte, beruft sich auf meine Freundschaft! Ein feiner Freund, in der Tat! Der Dämon las mich, er hatte darauf gewartet. Er konnte es gar nicht verhindern, den Gedanken aufzufangen. Mit grimmigem Gesicht, in dem seine Augen wie geschliffene Steine funkelten, starrte er auf mich herunter. Die Wut und die Feindschaft, die er auf mich herabwünschte, trafen mich wie ein Schlag, und ich erzitterte unter seinem Blick.
    »Einst wart ihr Freunde, Bursche. Erinnere dich daran. Erinnere dich gut daran, und leugne nicht, was einmal war. Oder du wirst es bitterlich bereuen

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