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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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dankte den Göttern des Spieles, daß ich nur ein dummer Junge war, ein Tölpel, ein Träumer ohne Talent. Wenn er meine Träume LAS, wäre das für mich so entsetzlich, wie von jemandem ohne Einverständnis sexuell gebraucht zu werden, doch er könnte niemanden außer mich mit dem Wissen über meine Träume verletzen, so wenig, wie ich wußte.
    Zu merken, daß man nichts weiß und hilflos ist, daß der einzige Trost darin besteht, geschändet werden zu können, ohne daß andere dadurch zu Schaden kommen, ist ein schrecklich einsames Gefühl. Doch dann wurde sogar diese Hoffnung von mir genommen.
    »Ich habe König Mertyn schon lange bewundert«, sagte Huld. »Es täte ihm furchtbar leid, wenn er erführe, daß sein ungewollter Verrat dich wider deinen Willen in ein Spiel hineingetrieben hat …«
    Darin bestand also mein Wert! Indem man mich zerstörte, Mertyn zu verletzen! Ich lachte auf, ein harsches, blökendes Lachen, worauf mir Huld das Gesicht zuwandte, überrascht und plötzlich vor den Kopf gestoßen. »Nein, Junge. Nein, ich schwöre es. Ein solcher Gedanke wäre mir nie gekommen. Weder mir noch Mandor …«
    Ich lachte erneut, und als wir zur Burg zurückgekehrt waren, lief ich in das Zimmer, das man mir zugeteilt hatte, rollte mich auf dem Bett zusammen und zwang mich zur Ruhe. Wäre es möglich gewesen, hatte ich mich gezwungen zu sterben. Ich fühlte das Prickeln in meinem Kopf, achtete aber nicht darauf. Sollte er doch mein Elend suchen und finden! Sollte er es doch fühlen und wissen, daß ich ihm kein Wort glaubte! Ich glaube, ich weinte wie ein Kind. Schließlich schlief ich ein.
    Und am nächsten Morgen sah ich Mandor wieder.

 
8
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Geiselnahme
     
    Das Turmzimmer, in dem er sich befand, ähnelte dem Raum, den Mertyn in der Schulstadt bewohnte, hell erleuchtet und mit Fenstern. Mandor jedoch hatte sich mit einem Luxus umgeben, den Mertyn nicht geduldet hätte: dicke plüschige Teppiche, Sofas und schwere Vorhänge gegen die abendliche Kälte. Mandors vertraute Gestalt hob sich gegen das helle Licht eines östlichen Fensters ab. Ich sah sein Profil, das mir vertrauter als mein eigenes war, die langen Wimpern, die seine samtenen Backenknochen berührten, die sinnliche Kurve seines Mundes, die langgliedrige elegante Hand, die den Seidenstoff seines Gewandes streichelte. Huld stand hinter mir. »Mandor, Peter ist gekommen«, sagte er. Keine Antwort. Es hätte genausogut eine Figur aus Wachs oder Marmor sein können, die sich dort gegen das Licht abhob. Ich wartete auf ein Gefühl und spürte nichts.
    Bis er sich umdrehte.
    Ich dachte zuerst, es handele sich um eine Maskerade, und man habe Dazzle in Mandors Kleidung gesteckt, denn das Gesicht, das mich anschaute, war das gleiche, das ich schon einmal gesehen hatte: eine klaffende Scheußlichkeit, ohne Nase, ohne Wangen, verstümmelt, ein Ungeheuer. Mein Magen rebellierte, und ich wandte mich zur Seite. Der Dämon stöberte in meinem Kopf, und ich hörte ihn sagen: »Er kann dich sehen, Mandor.« Ich hörte außerdem ein Schluchzen und wußte, daß es von dem Prinzen kam.
    »Wie?« Das Wort klang, als würde er stranguliert, und mein Geist formte das unwillkommene Bild zertrümmerter Zähne und einer Zunge, die sich krümmte und bog, um ein deutlich artikuliertes Wort herauszubringen. »Wie?«
    »Er weiß es nicht.« Stille trat ein, während ich schluckte und schluckte, den Blick auf die steinerne Wand gerichtet, bemüht, nicht nachzudenken. »Wirklich, Mandor. Er weiß es nicht. Er kann dich einfach sehen, das ist alles.«
    »Dalen? Wach?«
    »Weder Talent noch Macht, von der er wüßte.«
    »Ich war einige Zeit bei den Unveränderlichen«, sagte ich bitter. »Vielleicht hat das auf mich abgefärbt.«
    »Es kommt öfter vor«, sagte Huld zu Mandor. »Es gibt immer welche, die nicht betört werden können. Oder nur für kurze Zeit, aber dann nicht mehr. Das weißt du doch auch.«
    Ich drehte mich um, bereit, mich dem Schrecklichen zu stellen, aber Mandor hatte sich abgewandt, und ich erblickte nur sein makelloses Profil. Die Lippen bewegten sich. »Wuß hewen …«
    »Ich sagte Peter schon, daß er dir helfen muß, Mandor. Wenn er kann.«
    »Ich würde Euch helfen, wenn ich wüßte, wie«, würgte ich hervor. »Ich würde jedem helfen, der in einer solchen Lage ist wie Ihr, aber ich kann nichts tun. Ich kann Euch nicht so sehen, wie Ihr früher wart, oder fühlen, was ich früher für Euch empfand. Ich besitze kein Talent. Huld erzählte mir, daß

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