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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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dem nichts einen Zusammenhang hatte. Ich glaube, ich schlief ein – oder verlor einfach das Bewußtsein. Viel später, lange nachdem die Lampen angezündet worden waren, merkte ich, daß ich, Peter, in einem Alkoven gegen eine Wand gelehnt saß, halb hinter einem dicken Vorhang verborgen. Eine Hellebarde warf einen Schatten auf den Fußboden vor mir, und ich betrachtete ihn lange, lange Zeit, wobei ich zu ergründen versuchte, worum es sich handelte. Endlich fiel mir das Wort ein, Hellebarde, und mit ihm das Wissen um mich selbst und wo ich mich befand. Ein Mann stand vor dem Alkoven, und hinter ihm lag die große Speisehalle von Bannerwell, Lärm, Menschen, die ein- und ausgingen, Essensgerüche, Diener, die Servierplatten und Weinflaschen trugen. Ich schaute ihnen eine Zeitlang ohne Anteilnahme zu, bis mich einer von ihnen bemerkte und weglief, um Bescheid zu sagen. Plötzlich stand der Dämon über mir, faßte nach unten und drehte mit derben Händen mein Gesicht zu sich um.
    »Ich ahnte nicht, daß es dich so mitnähme. Ich hatte gehofft, du wüßtest Bescheid … daß du Mertyns thalan bist, genauso wie Mandor der meine …«
    Thalan. Sohn meiner Schwester. Engste Verwandtschaft außer der zwischen Mutter und Kind. Der Dämon prickelte in meinem Kopf herum und fand nichts, wie immer. Ich mußte fast lachen. Wenn ich nicht einmal selbst sagen konnte, was ich dachte, wie hätte er es dann gekonnt?
    »Passiert dir das häufig?« fragte er. »Daß du nichts mehr mitbekommst und dasitzt und ins Leere starrst?«
    »Manchmal«, gestand ich mit trockener Kehle. Es stimmte. Immer wenn etwas passierte, was zu komplex, zu schwer zu ertragen war, zog es mich in diese innere Leere hinein, zu einem Platz unermeßlicher Ruhe, den ich aufsuchen konnte. Hinterher erinnerte ich mich selten an etwas. Vielleicht konnte man sich an einen solchen Ort nicht erinnern, vielleicht war es nur eine konturlose Leere. Mir mißfiel die Frage.
    Das Mißfallen mußte auf meinem Gesicht zu sehen sein, denn der Dämon zog eine Grimasse. »Ich erinnere mich an dieses Gefühl aus meiner eigenen Jugend, Bursche. Wir können wenig tun, bevor sich unser Talent zeigt. Aber stets ist die Angst da, daß sich überhaupt kein Talent manifestiert.« Ich nickte, und er fuhr fort: »Ich erinnere mich gut daran. Wenn wir unfähig sind, etwas Wirkungsvolles zu tun, erscheint es besser, überhaupt nicht zu existieren als in einem solchen Aufruhr. Wäre ich nicht Mandors thalan, hätte ich Mitleid mit dir und ließe dich laufen. Aber ich kann nicht.«
    »Welchen Zweck hat es denn, mich hier festzuhalten?« bettelte ich. »Ich besitze keinerlei Macht. Ihr habt mir erzählt, ich sei der Sohn einer Gestaltwandlerin, einer berühmten sogar, deren Namen auch ich kenne. Ihr erzählt mir das, und ich muß es glauben, aber es hat doch überhaupt keine Bedeutung für Euch. Ich besitze dieses Talent nicht, und selbst wenn ich es besäße, was könnte es Euch nützen?«
    »Vielleicht nichts. Vielleicht handelt es sich um nichts anderes als eine verrückte Idee, geboren aus einem schmerzerfüllten Verstand. Ich sagte dir, daß dir kein Leid geschehen werde, und so ist es auch. Aber Mandor hat sich in den Kopf gesetzt, daß du ihm helfen oder Hilfe herbeischaffen kannst. Möglicherweise kannst du überhaupt nichts tun, und die ganze Angelegenheit verläuft im Nichts, aber für den Augenblick habe ich getan, worum er mich gebeten hat. Ich habe dich nach Bannerwell gebracht, wo du gastfreundlich aufgenommen werden wirst. Alles andere soll Mandor dir selbst erzählen …«
    Damit mußte ich mich zufriedengeben. Mandor befand sich nicht in der Halle. Ebensowenig wartete er auf mich in dem Zimmer, das man mir gegeben hatte, oder in den Küchenräumen, wo der Dämon und ich am nächsten Morgen zusammen frühstückten. Er bat mich, ihn Huld zu nennen, und ich befolgte es zögernd. Wir gingen zusammen den Fluß entlang, um auf einem Pferdehof zwei Tiere für den Burgstall zu holen, und immer noch erschien Mandor nicht. Während dieses Rittes sehnte ich mich nach Yarrel und war so einsam wie noch nie in meinem ganzen Leben. Huld schwätzte ein bißchen, in dem Versuch, mich aufzuheitern, mich freundlich und entspannt zu stimmen. Die Wärme aber konnte die Spanne seines Blickes, der mich versteckt und schätzend prüfte, nicht überbrücken. An diesem Tag fühlte ich ihn nicht in meinem Kopf, aber ganz sicher konnte ich nicht verhindern, daß er in mir LAS, wann immer er wollte. Ich

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