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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Zukunft blicken konnte, war nicht imstande, die Gegenwart deutlich zu sehen. »Mein Prinz«, sagte er, »ich habe diesen Jungen GESEHEN …«
    Mandor stieß einen unartikulierten Laut aus. Der Seher reagierte, als habe er eine Frage gehört.
    »Ja, mein Prinz. Ich habe diesen Jungen in einer anderen als der Gestalt GESEHEN, die er jetzt trägt. Gekrönt, als Prinz …«
    Hulds Gesicht brannte, als er sich mir zuwandte, flammendrot durch den jähen Blutandrang. Ärgerte er sich? Ich wußte es nicht. Ein Gefühl tobte in ihm, das ich nicht deuten konnte, sogar als er in meinem Geist zu wühlen begann, so tief, daß es mich schmerzte. Ich schrie auf, und er zog sich zurück.
    »Er weiß davon nichts.«
    »Mird eindreffe …«, sagte Mandor.
    »Es wird eintreffen«, stimmte der Seher zu.
    Mandor drehte sich um, ging ins Zimmer zurück und donnerte die Tür so heftig hinter sich zu, daß es die ganze Treppe hinunterdröhnte, ein Echo, das in unseren Ohren widerhallte wie Schlagen von Fledermausflügeln. Huld bedeutete den Wächtern, die mich festhielten, ihm zu folgen. Wir stiegen hinab in die Tiefen von Bannerwell, unterhalb der Gärten, in den Fels hinein, wo sich ein Raum mit Steinmauern befand, an die sie mich ketteten. Ich saß regungslos und starrte die Kette an.
    »Hier wirst du nicht imstande sein, dir etwas anzutun«, sagte Huld. »Vor der Tür steht ein Wächter, der dich stets beobachtet. Dieser Raum ist warm und trocken, und du wirst gut ernährt werden. Du wirst nicht leiden. Der Seher hat deine Zukunft gesehen, dich in der Gestalt des Prinzen GESEHEN. Das bedeutet, daß Mandors Hoffnung nicht trügerisch ist, nicht unmöglich. Auf irgendeine Art, durch Mavin oder das Talent, das du von ihr geerbt hast, wird sich seine Hoffnung erfüllen. Verstehst du?«
    Ich gab keine Antwort, weil ich nichts verstand. Es war barer Unsinn, Dummheit.
    »Zu deinem Besten schlage ich vor, daß du deine Aufmerksamkeit auf dieses Talent richtest. Ebenso zum Besten der übrigen. Mandor ist ungeduldig. Er wird jede Möglichkeit ausschöpfen, dir auf die Sprünge zu helfen.«
     
    Ich will mich nicht damit ermüden, über die folgende Zeit zu reden. Ich wußte nicht, welche Tageszeit es war.
    Es brannte nur Fackellicht, und die Zeit maß sich am Schichtwechsel der Wache, den Essenszeiten und den Augenblicken, wo ich den Topf benutzte. Es gab ruhige Zeiten, in denen ich vergaß, wer ich war, wo ich war, warum ich existierte. Dann kamen schreckliche Zeiten, wenn Mandor mich besuchte, das Gesicht unverschleiert, und dasaß und mich anschaute, einfach nur schaute, stundenlang. Manchmal sprach er, und ich verstand ihn nicht, was ihn zur Raserei brachte. Dann schlug er mich, fest genug, daß es mir weh tat, aber nicht so fest, um mich ernsthaft zu verletzen.
    Es gab Zeiten, wo Huld kam, um zu streiten, Einwände zu machen, in meinem Kopf zu graben, um zu sehen, was dort vorging. So gut wie nichts, wie die Götter des Spiels nur zu gut wußten. Es gab wenig genug zu finden. Wenn ich in Ruhe gelassen wurde, gab ich mich langen träumerischen Erinnerungen an Tossa hin, rief sie an meine Seite und dichtete Liebesmärchen und Reime für sie. Ich dachte weder an Mavin noch an Mertyn. Ich dachte nicht an Himaggery und auch nicht an Windlow. Ich dachte tatsächlich nur an das, was nötig war, mich am Leben zu erhalten.
    Manchmal erloschen die Fackeln, und Dunkelheit umgab mich. Einmal weigerte ich mich zu essen, und man holte Männer, die mich festhielten, während ein Tragamor mir die Nahrung die Kehle hinabzwang. Danach aß ich freiwillig weiter. Es gab Zeiten, da Mandor – nein, diese Erinnerung muß ich nicht unbedingt ausgraben. Er mußte mich fesseln, und ich glaube nicht, daß er viel Genuß dabei empfand.
    Ich will von dieser Zeit nicht berichten, denn sie dauerte lange, sehr lange, und nichts änderte sich. Ich werde statt dessen von der Leuchtenden Domäne erzählen. Ich hörte erst später von alledem, aber es paßt an diese Stelle, und warum also soll ich es nicht jetzt berichten.
     
    Als diejenigen, die mich gefangen genommen hatten, sich westwärts dem großen Tal zuwandten, wurden sie von Yarrel und Windlow gesehen, die hoch oben auf einer Felswand Posten bezogen hatten. Nachdem wir verschwunden waren, suchten die beiden Seidenhand und Chance und fanden sie gegen Abend. Sie warteten nicht auf den nächsten Morgen, sondern ritten sofort eilig nach Osten zur Leuchtenden Domäne. Beim ersten Tageslicht erklärte ihnen Yarrel, dicht

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