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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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versteckte ich mich in einer Mauernische. Niemand bemerkte mich. Die Wächter hatten gerade begonnen, in Richtung der Küche zu schlendern. Einige blieben zurück, um weiterhin die Hügel zu beobachten. Ich zog ein Blatt des Krauts heraus, nur ein einziges, und kaute es, während ich an einen Jungen dachte, einen Jungen mit stumpfsinnigem Blick, einen Jungen, der nur ein schmutziges Hemd trug, einen Jungen mit braunen Beinen, schmierigem bräunlichen Haar und farblosen Augen, einen unauffälligen Jungen mit einer Lücke zwischen den Zähnen. Ich dachte an diesen Jungen, daran, wie er sich fühlen würde, wenn er dem Gärtner half, die Arbeit soviel härter, als er es mochte, aber man würde ihm sagen, ohne Arbeit kein Essen; also würde er sich fügen und sie insgeheim allesamt zum Teufel wünschen.
    Der Junge legte Grimpts Schuhe und Kleidung auf den Boden der Latrine, gurtete Peters Hemd enger um die schmale Taille und trat ins Freie und in den Garten, wo er verdrossen neben dem Ellbogen des Gärtners stehenblieb.
    »Sie haben mich geschickt, Euch zu helfen«, sagte er.
    »Oh, wirklich? Na, das wurde aber auch Zeit. Heute morgen haben sie es versprochen, und nichts tat sich. Nimm den Karren hier und hol alten Mist. Alten, verstehst du? Nicht das frische Zeug obendrauf. Ich will das verrottete von unten haben. Und spute dich!« Als der Junge weggehen wollte, fragte der Mann: »Wie heißt du überhaupt?«
    »Ist das wichtig?« fragte der Junge.
    »Wichtig, wichtig! Natürlich ist es nicht wichtig. Aber ich muß dich ja irgendwie rufen, oder? Ich kann dich ja nicht ›Junge‹ rufen, sonst habe ich sofort die Hälfte aller Jungen weit und breit auf dem Hals. Irgendwie muß ich dich ja nennen …«
    »Swallow«, erwiderte der Junge. »Nennt mich Swallow. Das tun die meisten anderen auch.«

 
10
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Swallow
     
    Swallows Gesicht war schmutzverschmiert, und er konnte durch die Lücke zwischen den Zähnen spucken. Ein Junge im Mertynhaus hatte das auch gekonnt; Peter hatte ihn sehr darum beneidet. Swallow hatte Läuse in den Haaren, er kratzte sich zumindest so, als hätte er welche, und er besaß einen bösartigen, scheelen Blick. Als der Gärtner eine Mahlzeit erhielt, bekam Swallow auch eine, eine große Schüssel mit Fleisch, Grütze und Gemüse, und das gleiche am Abend mit einem Krug bitteren Bieres und einem faustgroßen Stück Käse dazu.
    Der Gärtner wohnte in einer Hütte neben der Burgmauer, nahe den Küchengärten. Die Köche wohnten unmittelbar neben der Küche. Viele Bedienstete schliefen in Verschlägen und Ecken oder in Schränken und Wandnischen, die hinter schweren Wandtapeten verborgen waren. Swallow fand ein gutes Plätzchen auf dem Heuboden über den Stallungen, wo es sowohl warm als auch trocken war. Er war für jedes Auge und jede Absicht unentdeckbar. Keiner um ihn herum nahm Notiz von ihm, und niemand außer dem Gärtner hätte sagen können, wie lange er schon da war und wer er eigentlich war. Swallow gehörte zu ihnen, den Bauern, den Unbeachteten. Als am Nachmittag des nächsten Tages in der Burg ein riesengroßer Tumult ausbrach, Männer hin und her rannten, Stimmen durcheinander schrien und eine fieberhafte Suche nach Grimpt in die Wege geleitet wurde, bemerkte niemand Swallow. Niemand sprach mit ihm oder fragte ihn etwas. Swallow beobachtete mit offenem Mund und leerem Blick, wie alle umherrannten, aber keiner beachtete ihn.
    Die ganze Nacht, während Swallow tief im warmen Heu vergraben schlief, hallte die Burg vom Kommen und Gehen der Männer und dem Gerumpel der Fuhrwerke wider, die zu dem Geräusch der Axthiebe im Wald fuhren und vollbeladen zurückkamen. Vielleicht wachte er einmal kurz durch den Lärm auf, schlief aber sofort wieder ein. Swallow hatte den ganzen Tag über hart gearbeitet. Die ganze Aufregung ging ihn nichts an.
    So war seine Überraschung nicht gespielt, als er am nächsten Morgen dem Geflüster der Wachen zuhörte, die im frühen Sonnenlicht ihre erste Mahlzeit auf dem Burghof verzehrten.
    »Der Gefangene ist verschwunden, sagt man. Wie vom Erdboden verschluckt. Nicht die geringste Spur von ihm.«
    »Und Grimpt auch? Suffkopf! Ich glaub kein Wort davon. Eher legen Pferde Eier.«
    »Aber es stimmt wirklich. Einfach weg – spurlos. Sie haben jeden Winkel nach ihm abgesucht. Man sagt inzwischen, er sei die Latrine hinabgestürzt, in den Burggraben.«
    »Die Latrine hinab? Ha, das ist der richtige Platz für den alten Grimpt. Paßt zu ihm.«
    »Sie haben seine Schuhe

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