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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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im Graben gefunden. Herausgefischt.«
    »Ja und? Meint man, daß Grimpt den Gefangenen mitgenommen hat?«
    »Nein. Man spricht von einem Großen Spiel, das bald beginnen wird. Der Gefangene ist von einem sehr Mächtigen befreit worden, einem Zauberer, sagen sie. Oder von einem Feuerdrachen in seinen Kleidern verbrannt worden.«
    »Die Kleider wären dann aber auch verbrannt.«
    »Nein, meinen sie.«
    »Ach ja! Die reden viel …«
    Der Gärtner hatte auch zugehört, kam wieder zu sich und schloß den Mund mit einem hörbaren Schnappen, packte Swallow am Arm und zerrte ihn herum. »Halt keine Maulaffen feil!! Großes Spiel hin oder her, der Rasen muß gemäht werden, und wir fangen am besten gleich damit an!«
    Swallow brachte den größten Teil des Tages damit zu, einen schweren Steinzylinder über den kurzen Rasen zu rollen und vor sich hin zu schimpfen, wenn sich jemand in seiner Hörweite befand. Der Gärtner hörte nicht hin, aber Swallow ließ keine Gelegenheit verstreichen, sich zu beschweren. Am Mittag kam Huld in den Garten, das Gesicht verbittert und müde. Er beachtete den Jungen überhaupt nicht. Als Swallow den Mann sah, hielt er die Augen fest auf den Steinroller gerichtet. Er tat gut daran, nicht die Aufmerksamkeit von Dämonen zu erregen. Mandor erschien ebenfalls im Garten, doch zu dieser Zeit aß Swallow sein Mittagessen im Burghof, hinter dem Pfeiler des eisernen Tores, fast außer Sichtweite. Mandor sah ihn nicht. Seine Augen glänzten fiebrig, und getrockneter Speichel hing ihm in den Mundwinkeln. Swallow schaute hoch und sah die Bewunderung in den Gesichtern der anderen. Sofort wurde sein Gesichtsausdruck auch bewundernd, und er aß erst weiter, als alle um ihn herum es taten.
    Am späten Nachmittag ritten zwei Waffenträger in den Burghof, begleitet von einer Heilerin und zwei Bauern. Swallow beobachtete ihr Eintreffen wie alle anderen auch. Sein Mund stand weit offen, seine Finger waren damit beschäftigt, sich zu kratzen. Die Heilerin wurde in die Burg geleitet, und den Bauern wurde befohlen, an der Mauer zu warten, bis man sie riefe. Sie kamen Swallow irgendwie bekannt vor, und er wandte sich gerade ab, um weiterzuarbeiten, als Peter leise zu ihm sagte: »Swallow, das sind meine Freunde Yarrel und Chance.« Als er die Stimme in seinem Innern hörte, erschrak Swallow zutiefst, und es dauerte eine Weile, bis sich Peter wieder an die Oberfläche gekämpft hatte.
    Es steckt mehr dahinter, als ich dachte, sagte ich zu mir selbst. Ich hatte eine Wirklichkeit geschaffen, eine Halbperson, die mit jeder Stunde, die verstrich, realer wurde, realer als ich selbst. Doch das war gut, wenn ich weiterhin in Sicherheit bleiben wollte. Swallow mußte realer sein als Peter, ohne jeglichen Gedanken, der Aufmerksamkeit erregen konnte. Ich sank unter die Oberfläche zurück und stellte mir vor, ich sei ein Fisch.
    Fisch, Fisch. Ich könnte diesen Fisch an einen Haken hängen, einen Haken, der ihn an die Oberfläche ziehen würde, wenn es nötig wäre, und ihn ansonsten tief unten im Dunkeln schwimmen ließe. Einen Haken. Die Gesichter meiner Freunde, die Namen von Mertyn, Himaggery und Windlow. Das sollten meine Haken sein. Wenn man sie zog, würde ich hochsteigen, um kurz aus dem Wasser zu spähen, und mich rasch wieder hinabsinken lassen. Ich stellte mir den Haken vor, gekrümmt, silbern, aus hartem Stahl, bohrte ihn tief in Peter hinein. Dann ließ ich Peter hinabsinken.
    Gegen Abend ritt eine wunderschöne Frau und ein Herold in die Burg Bannerwell, eskortiert von Wachen. Swallow sah sie, doch sie sahen ihn nicht. Die schöne Frau verlangte eine Audienz bei Prinz Mandor, und sie erwähnte den Namen Seidenhand. Der Haken zerrte, und Peter stieg nach oben. »Wenn es Nacht ist«, sagte ich zu Swallow, »kletterst du die Weinranken seitlich der Mauer hoch und suchst ein Hallenfenster.« Dann verschwand ich wieder. Swallow lauschte. Er hörte mich zwar, ließ sich aber nichts anmerken, sondern fuhr in seinem Trott weiter. Er spuckte weiter durch die Zahnlücke, kratzte sich und fiel über das Abendessen her, als wäre es das letzte Mahl, das er jemals bekommen würde. Dann kletterte er in den Heuboden und fiel in einen traumlosen Schlaf.
    Als der Mond aufgegangen war und man in der nächtlichen Stille nur noch die Schritte der Wächter auf den Zinnen hörte, erwachte Swallow wieder, schlich sich durch das Dunkel zu den Weinranken an der Burgmauer, deren jahrhundertealte Strünke so dick wie sein Körper waren. Er

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