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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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standen, und streckte sich nördlich und westlich in einer lieblichen Schale, deren gewölbter Rand am Horizont durch andere Höhen gebildet wurde. »Ich suche das Monument von Thandbar«, sagte ich. »Könnt Ihr mir sagen, wo ich es finde?«
    »Ihr denkt nicht wandlerisch genug«, bemerkte Sambeline, »wenn Ihr fragt, wo in Schlaizy Noithn Ihr das Monument von Thandbar finden könnt.«
    Ich ließ mir ihre Worte durch den Kopf gehen. Tatsächlich waren sie nicht von der Hand zu weisen. Thandbar war der erste und größte aller Gestaltwandler gewesen. Sicher würde seine Erinnerungsstätte kein festes, unveränderliches Gebilde sein. Es würde sich bewegen, verwandeln, verändern. »Wenn Ihr es zu finden hättet«, fragte ich, »wo würdet Ihr suchen?«
    »Hinauf und hinunter, hier und dort, dazwischen und hindurch, rundherum, innen und außen«, sagte sie.
    »Oben«, fuhr ich fort. »Mittendrin, darunter, hindurch und obendrüber …«
    »Genau«, erwiderte sie. »Das ist schon wandlerischer gedacht. Vielleicht gibt es doch Hoffnung für Mavin Vielgestalts fremdländischen Sohn.«

 
5
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Schlaizy Noithn
     
    In der darauffolgenden Zeit lernte ich eine Menge über wandlerisches Benehmen, wandlerische Gedanken und Gewohnheiten. Wie soll ich es aber beschreiben, damit ihr es versteht, ihr, die ihr aus einer Welt stammt, in der die Berge nicht fortlaufen und sich die Straßen nicht in Bewegung setzen? Ihr, die Ihr aus einer Welt stammt, in der ihr morgens am gleichen Platz aufwacht, an dem ihr abends eingeschlafen seid, wo ihr euren Weg durch Grenzsteine markiert findet und Landkarten beim Reisen benutzt? Während meiner kurzen Reise mit dem kleinen Seeschiff hatte ich gesehen – wenn auch nicht gelernt – wie man seinen Weg mit Hilfe der Sterne finden kann. In Schlaizy Noithn mußte ich es lernen, denn die Sterne waren das einzige, das während der Tage und Nächte meiner Reise bestehen blieb. Ich würde sofort verzweifeln, wenn ich euch erklären müßte, was wandlerisch bedeutet, und so sage ich nur, daß es für jemanden, der in einer Schulstadt aufgewachsen ist, schwierig ist. Und doch – wie ich bald erfuhr – war meine Kindheit in der Schulstadt eine Gnade, die meine Mutter mir erwiesen hat und über die viele andere junge Wandler froh gewesen wären. Nun, es gibt keinen besseren Weg, etwas zu erzählen, als es einfach zu erzählen, wie Chance sagen würde. Also erzähle ich es jetzt.
    Sambeline ging an meiner Seite, als ich Schlaizy Noithn betrat. Ich unterhielt mich mit ihr über alles mögliche, und sie antwortete mir, erzählte, daß Mavin hier große Achtung genösse, und nach einer Weile schaute ich zu ihr hin, um etwas zu sagen, und entdeckte, daß ein riesiger Pombi neben mir herschaukelte, dessen mächtiger Kopf bei jedem Schritt von einer Seite zur anderen schwang und dessen lange Zunge zwischen den gebogenen elfenbeinernen Fangzähnen heraushing. Vor lauter Schreck konnte ich überhaupt nichts tun. Mein erster Gedanke war, daß dieses Tier Sambeline getötet und ihre blutigen Überreste irgendwo hinter uns hatte liegen lassen. Als das Tier mir aber einen zerstreuten Blick zuwarf, bevor es den Weg verließ und einen hohlen Baum erklomm, wo es sich mit einer seiner mächtigen Tatzen festhielt, um mit der anderen in der Baumhöhle nach Honig zu fischen, den es auch mit allen Anzeichen großen Genusses schleckte, dämmerte mir, daß Sambeline und dieser Pombi ein und dasselbe waren. Als die Gestalt des Pombi verschwamm, zerfloß und sich in die Höhe erhob, um mit zweimaligem schrillem Uuhu-uuhu auf weiten Schwingen von feinstem Weiß davonzufliegen, als der Honigbaum sich schüttelte und auf Wurzeln, die plötzlich beweglichen Fingern glichen, durch den Wald davonschritt und mich allein zurückließ, wurde mir langsam klar, was wandlerisch bedeutete. Ich fing an zu begreifen, warum Sambeline meine Ausrüstung so spöttisch betrachtet hatte. Brauchte ein Pombi eine Decke? Einen Kochtopf? Einen Feueranzünder? Ich schulterte das Gepäck ab und starrte es an, unwillig, es zurückzulassen und mir doch im klaren darüber, daß es mehr als alles andere verriet, daß ich ein Fremder war, ein Außenseiter, jemand aus einem anderem Land. Bedeutete das Gefahr für mich – oder nicht? Ich wußte es nicht.
    Unter den Spielfiguren von Barish waren sechzehn winzige Wandler. In einem einfachen Satz Figuren, wie man ihn zum Beispiel Kindern für ihre kleinen Brettspiele gab, wären das die Bauern gewesen. Bei mir

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