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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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apathisch leerer Augen und ihrer fehlenden Regung. Der Anblick ihrer Beine hatte geschafft, was all die Jahre mit Laggy Nicker nicht fertiggebracht hatten – sie in eine Art Wahnsinn zu treiben.
    »Wenn Dealpas sie nun nicht heilen kann?« murmelte ich, ohne jemand Bestimmtes anzusprechen. Es war Solwys, der antwortete, als er mir etwas von der Brühe brachte, die Mavin Izia eingeflößt hatte.
    »Ja, und? Was wohl, wenn die Heilerin es nicht kann? Oder du es nicht kannst? Dann wird sie damit leben müssen oder sterben, wie wir alle einmal. Es liegt nicht auf deinem Gewissen, Peter. Wenn sich jemand schuldig gemacht hat, dann ist es Nicker.«
    »Du kannst noch weiter zurückgehen«, erwiderte ich bitter. »Zu dem Wandler, der Izia an ihn verkauft hat, als sie noch ein Kind war. Sie kann damals nicht mehr als sieben oder acht Jahre alt gewesen sein. Wer weiß, aus welchem Spiel gerissen; wer weiß, zu welchem Spiel verkauft.«
    »Sag nicht ›Wandler‹ in diesem Ton«, beschwerte sich Swolwys. »Es könnte ebensogut ein Seher, ein Tragamor oder sogar ein Bauer gewesen sein. Jeder spielt sein Spiel, und Spiele fressen Menschen. Sie fressen auch Kinder, aber das Spiel tut das alles, nicht die Spieler.«
    »Einige Spieler schon«, antwortete ich und dachte an Mandor, an Nicker und den fetten Herzog von Betand. Trotzdem hatte Swolwys recht. Ich neigte dazu, schlecht von Wandlern zu denken, wegen Schlaizy Noithn und wegen … Yarrel. Warum dachte ich jetzt gerade an Yarrel? Ich hatte ihn nicht mehr gesehen, seitdem er mich vor Bannerwell hatte stehen lassen, unsere Freundschaft aufgegeben, mir seinen Rücken zugewandt hatte. Sein Gesicht tauchte vor meinem geistigen Auge auf, das dunkle Haar, die geraden Brauen, die lange Nase und der großzügige Mund. Ich preßte meine Hände vors Gesicht und schüttelte mich. Es war nicht die Zeit, in bittersüßen Erinnerungen zu schwelgen. Ich ging in die Höhle.
    »Laß mich Dealpas holen«, sagte ich zu Mavin. »Obwohl ich nicht weiß, ob es gelingt. Die Heilerin Seidenhand sagte mir, daß ein Gewebe, das einmal abgestorben ist, nicht mehr geheilt werden kann.«
    Mavin hatte Izias Beine aufgedeckt und betrachtete sie, während ich sprach. Die Stiefel hatten bis weit über die Schenkel hochgereicht, und unterhalb ihrer Hüften gab es eine Linie, über der gesundes rosiges Fleisch glänzte, und darunter graue verschuppte Haut, wie von einer kranken Eidechse. »Ich glaube nicht, daß das Gewebe tot ist«, sagte Mavin. »Ich glaube, die Stiefel versengten ihr Fleisch nicht richtig, sondern waren unmittelbar mit den Nerven verbunden. Dieses Fleisch sieht zwar unnatürlich aus, aber es lebt …«
    »Naja, wollen wir hoffen, daß Dealpas eine Ahnung davon hat.« Ich griff in meine Tasche, um die kleine Spielfigur zu suchen. Ich mußte eine Zeitlang wühlen. Dealpas schmiegte sich nicht wie die anderen bereitwillig in meine Hand. Meine Finger mußten ihr vielmehr nachjagen, sie zwischen den anderen herausfischen, bis ich sie schließlich umklammern konnte. Zögernd, langsam, mit unendlichem Bedauern erschien sie.
    »Ich dachte, ich hätte das alles hinter mir gelassen«, hörte ich sie sagen. »Schmerz. Leid. Ich dachte, ich sei fertig damit …«
    »Es gibt kein Ende«, sagte Didir.
    »Niemals«, echote Dorn.
    Und von den anderen in mir hörte ich Zustimmung, je nach ihrem Naturell – Wafnor gemütlich schmunzelnd, Shattnir mit kalter Herausforderung. Trandilar leidenschaftlich. Und zwischen ihnen Dealpas, in Tränen aufgelöst.
    Ich blieb hart. »Kommt, es gibt Arbeit.«
    »Es gibt immer Arbeit.« Aber sie folgte, wenn auch bedauernd, bis ich meine Hand auf Izias Fleisch legte, und dann verwandelte sie sich in einen rasch fließenden Strom.
    Ich konnte ihr bei dem, was sie tat, nicht folgen. Es ähnelte ein bißchen dem Wandeln, denn Fäden schienen aus meiner Hand in Izias Fleisch zu fließen. Es ähnelte ein bißchen dem Talent des Tragamors, denn einmal angekommen, dehnten sich die Fäden, schmeckten und rochen an Dingen, jagten lange weiße Faserbündel, paddelten durch Blut, marschierten unaufhaltsam durch große Knochengewölbe. Es war einfach, die verwundete Stelle zu finden, weniger einfach, sie zu heilen. Expeditionen wurden in weitentfernte Gebiete aus Darm und Säften geschickt, in intime Drüsenhallen, die in verwinkelten Höhlen heiß brodelten, um mit diesem und jenem zurückzukehren, zu pumpen und aufzubauen, zu dehnen, Zellwände zu öffnen und Dinge einzusammeln wie

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