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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Hältst du das für annehmbar?«
    »Ich weiß nicht, ob ich es ganz begreife«, sagte ich. »Meinst du, wenn ich unter Fustigaren geboren und unter ihnen aufgewachsen wäre und nie sprechen gelernt hätte, dann wäre ich mehr zum Fustigar geworden denn zum Menschen?«
    »So ungefähr. Aber es geht noch weiter. Die Hebammen glauben, daß nur diejenigen, die ihre eigene Menschlichkeit und die der anderen wahrnehmen können, eine Seele entwickeln. Einige, die wie Menschen aussehen, glauben einfach nicht, daß die anderen wie sie sind. Sie denken, die anderen seien nicht wirklich vorhanden. Einer von diesen war Mandor …«
    Ich nickte. Ich glaubte ihr. Mandor hatte die ganze Welt als seinen Fingernagel betrachtet, den man nach Belieben schneiden und die Schnipsel wegwerfen konnte.
    »Huld ebenso«, fuhr Mavin fort. »Obwohl er sich hinter der Maskerade guten Benehmens verbirgt. Die Seelenlosen können sehr gut erzogen wirken, genau wie wilde Tiere gut erzogen werden können. Jedenfalls sagen das die Hebammen, die diese Angelegenheit erforscht haben.«
    »Was hat das mit den Dupies zu tun?«
    »Ach ja.« Sie gab sich einen Ruck. »Die Hebammen schwören einen Eid, sehr feierlich und bindend, daß sie in die Zukunft jedes Kindes schauen wollen, das geboren wird, und daß sie es nicht am Leben lassen werden, wenn sie nicht sehen, daß es eine Seele bekommen wird. Es ist das Talent der Hebammen, auf diese Art in die Zukunft zu sehen, eingeschränkter als ein Seher, aber verläßlicher. Man nennt es das Gnadengeschenk, das Geschenk, das die Hebamme dem Kind gibt, in die Zukunft zu sehen und herauszufinden, ob es eine Seele bekommen wird.«
    »Wie kommt dann Huld zustande – oder Mandor?«
    »Die großen Häuser wollen keine Hebammen bei der Geburt. Nein. Sie kümmern sich nicht um ›Seelen‹. Sie kümmern sich nur um Benehmen, und das können sie jedem eintrichtern, wenn sie streng genug vorgehen. Ich glaube aber nicht, daß der Dupie einem dieser Häuser entsprungen ist. Er wurde wohl eher den Hebammen entwendet, oder in einem Haus geboren, wo Hebammen nicht hingehen.« Die letzten Worte sagte sie mit leichtem Zögern, als ob sie wüßte, wo das gewesen sein könnte. Das Gespräch war enttäuschend, aber es warf eine Frage auf, die ich einfach stellen mußte.
    »Und ich? Haben die Hebammen mich auf die Welt gebracht, Mutter?«
    Sie lächelte, ein Lächeln, das wie die Morgendämmerung auf ihrem Gesicht erblühte. »O ja, Peter. Und du hast alle Gaben, die wir dir geben konnten, Himaggery und ich. Keine Angst, du bist kein Mandor. Oder eine Art Dupie. Wenn alle Menschen besser wären, vielleicht könnte dann sogar ein Dupie eine Seele bekommen, aber dazu bräuchte man Heilige. Eine einfache Mutter könnte das nicht. Der Horror wäre zu groß, der Schmerz des Kindes zu schrecklich, um ihn zu ertragen. Wie sollte es leben? Und warum? Es stimmt, daß solche Ungeheuer manchmal geboren werden, aber es stimmt auch, daß es noch etwas viel Schrecklicheren, Ungeheuerlicheren bedarf, etwas, das voll Hochmut ist, um sie am Leben zu erhalten …«
    »Und der Fettmann?« fragte ich. »Ohne Beine, ohne Unterkörper … Wenn er so geboren worden ist, wäre er gestorben, es sei denn, jemand hätte es verhindert. Warum? Wie und warum? Vielleicht kann Windlow es uns sagen, weise wie er ist …«
    »Wenn wir ihn finden. Wenn wir ihn befreien. Wenn er noch lebt. Es wird aber nichts passieren, wenn wir weiter hier stehen. Es ist Zeit zu gehen.«
    Wir rollten nur noch einen großen Stein vor Mavins Höhle, in der Sachen lagerten, die für sie wertvoll waren. Mit leeren Händen, nur in unser Fell gekleidet, gingen wir zu den fleckigen Schatten hinunter. Von den Überresten des Fettmannes und der Dupies stoben Fliegenschwärme hoch. Wir nahmen die Gestalten an und bewegten uns darin, probierten sie. Sie waren abscheulich. Sie waren falsch. In diesen Formen gab es weder Logik noch Angenehmes, und ich begann zu begreifen, was Mavin über Seelen zu erklären versucht hatte. In diesen Gestalten konnte niemand bleiben, ohne verformt zu werden, verdreht, vergiftet. Sie trugen Schmerz in sich, und ich stellte mir vor, wie es sein mochte, für immer mit diesem Schmerz zu leben. Ich veränderte die Gestalt, um den Schmerz auszuschließen, und ich hörte Mavin schwer atmen.
    »Ich kann darin nicht wohnen«, sagte sie. »Ich muß es wie eine Takelage über mir aufbauen …«
    »Vielleicht sollten wir etwas anderes versuchen«, schlug ich vor.
    »Nein«,

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