Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent
des Rittes war zwischen Reavebrücke und Leamer ein paarmal das Gespräch darauf gekommen, welche Route wir eigentlich wählen sollten, um auf das Plateau des Waenbane zu gelangen, das sich vor uns im Westen erhob. Gewiß nicht über die Ostseite, die so glattabfallend war wie das Äußere eines Kruges, fast glasig an manchen Stellen. Meine Karte zeigte einen langen Engpaß, durch den man vom Norden in dieses Hochland stieß, einen Weg, der ›Tor des Windes‹ genannt wurde und der zum Waenauge, zum ›Auge des Windes‹, führte. Queynt hatte behauptet, er sei dort gewesen, aber ich traute Queynt nicht besonders.
Als die Dunkelheit hereinbrach und wir unser Lager nur eine Meile entfernt von Leamer aufgeschlagen hatten, beschloß ich, in die Stadt zu reiten und mich etwas umzusehen. Das hatte auch den Vorteil, daß ich von Jinian fortkonnte. In unserem Verhältnis war etwas, das mich beunruhigte. Als ich fortritt, sah ich König Kelver ebenfalls wegreiten, und zwar mit einem Fremden. Der König wirkte sehr ärgerlich und aufgebracht. Ich überlegte kurz, ob ich ihn rufen und meine Hilfe anbieten sollte, entschied dann aber, daß er genügend Unterstützung durch seine eigenen Drachen hätte, falls er Hilfe bräuchte. Ich habe oft so gute Eingebungen, die aber leider ebenso oft von mir übergangen werden. So war es auch in diesem Fall, und ich ließ ihn fortreiten. Das Ergebnis schien unerfreulich, aber im nachhinein ist es immer einfach, alles besser zu wissen.
Mein Weg führte mich durch ruhige Gassen zwischen den Nußgärten. Wir befanden uns inzwischen ziemlich weit im Nußland, so genannt wegen der hügligen Gärten, die die Häuser entlang des Flusses flankieren. Die in der Erde wachsenden Nüsse wölben sich zu kleinen Hügeln, zuerst graugrün und glänzend, mit einem Kranz kurzer, haariger Blätter am Fuß. Wenn sie breiter und höher werden, wandelt sich das Graugrün der Schalen zu dumpfem Braun, und die Blätter verbreitern sich zu einer mehrschichtigen Krause. Wenn die Nüsse reif sind, bohrt der Gartenmeister ein Loch nahe dem Hügel und schiebt ein Dutzend Wurstgrole hinein, und zwar immer in der Abenddämmerung. Wenn die Grole morgens wieder erscheinen, was sie aus seltsamen Gründen, die nur sie wissen, immer tun, wird ihnen der Kopf abgeschlagen und die Haut des Halses mit einem Faden zugeschnürt. So entsteht die Grolwurst, die getrocknet, geräuchert oder sonstwie präpariert wird, um sie haltbar zu machen. Wurstgrole sind für Grole ziemlich klein, im Durchmesser wie mein Oberschenkel und etwa mannshoch. Trotz ihrer geringen Größe besitzen sie ein beeindruckendes Gebiß, und Grolzüchter erzählen schreckliche Geschichten über Leute, die versehentlich zusammen mit Grolen ohne Maulkorb in einer Nuß eingeschlossen waren. Am Straßenrand häuften sich Berge abgesägter Nußschalen, ineinandergestülpt wie viele große Schüsseln. Ich fragte einen der Nußsäger, welche Verwendung man für diese seltsam geformten Stapel hätte.
»Ja, wißt Ihr, Spieler, die werden zur Teufelsgabel gebracht, dann flußaufwärts zum Ende der Ostgabel des Reave, dann den Berg hoch zu den unteren Ausläufern des Langwasser und von dort aus zur Gleißenden See. Hier bei uns wachsen die besten Bootnüsse, die es gibt. Es ist eine spezielle Art, die mein Großvater herausgezüchtet hat, besonders lang und schmal.«
»Ich hörte bereits, daß man Häuser daraus baut«, sagte ich. »Boote habe ich allerdings noch nie gesehen.«
»Oh, die Häuser findet Ihr im Norden von Nußland, bei der Westgabelung des Flusses. Die Leute dort wollen in nichts anderem wohnen. Warm und trocken und von außen glatt, so ist eine ordentliche Hausnuß. Ich sah einmal eine, in die hinein man drei Stockwerke gebaut hatte, fünf Mann hoch war die, vom Boden bis zur Spitze. Entlang dem Fluß findet Ihr Wäldchen mit Faßnüssen, und ein Bursche züchtet eine besonders kleine Sorte, die er Hutnüsse nennt. Es muß halt immer wieder mal was Neues her. Die Händler mögen es so. Aber sie kaufen sowieso alles, um es im Norden weiterzuverkaufen. Nun ja, wie dem auch sei … Wünsche Euch noch einen schönen Abend, Spieler.«
Und damit schulterte er seine Nußsäge und verschwand in der Nacht. Ich lächelte über die Vorstellung einer Hutnuß, hörte aber auf, als ich daran dachte, wie leicht eine solche Kopfbedeckung im Vergleich zu einem Helm aus Metall sein würde. Nußschalen, sagte man, seien hart wie Eisen.
Zuerst ging ich zur Minchery,
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