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Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)

Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)

Titel: Das wahre Wesen der Dinge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ted Chiang
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er es nicht bei den Leuten versucht, die wir anschreiben, schadet er unserer Sache nicht, und vielleicht hilft er uns ja.«
    »Aber wenn er so seltsam ist, wie er klingt, wie wahrscheinlich ist es dann, dass er irgendjemanden überzeugen kann?«
    »Na ja, nicht unbedingt durch seine Geschäftstüchtigkeit. Er hat einen Film mit den Xenotherianern, den er den Anthropologen vorführt, um sie auf den Geschmack zu bringen. Er hat mir einen kleinen Ausschnitt gezeigt.«
    »Und?«
    Er zuckt ratlos die Schultern und hebt die Hände. »Für mich hätten das auch ein paar Unkrautroboter sein können.«
    Ana lacht. »Na, vielleicht ist es ja ganz gut so. Vielleicht sind sie umso interessanter, je fremdartiger sie sind.«
    Auch Derek lacht, als er sich die Ironie der Lage vergegenwärtigt: Was, wenn es sich nach all der Arbeit, die Blue Gamma in die Attraktivität der Digis gesteckt hat, herausstellt, dass die Leute lieber Alien-Digis wollen?
    7
    Wieder vergehen zwei Monate. Die Versuche der Usergruppe, Geld aufzutreiben, haben wenig Erfolg; die Menschen, die zu Spenden bereit wären, können die Geschichten über natürliche, vom Aussterben bedrohte Lebensformen schon nicht mehr hören, ganz zu schweigen von künstlichen, und Digis sind nicht annähernd so fotogen wie Delphine. Aus den Spendeneinnahmen wird nie mehr als ein dünnes Rinnsal.
    Die Digis kommt es inzwischen hart an, immerzu an Erde 2.1 gefesselt zu sein; ihre Besitzer bemühen sich zwar, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen, damit sie sich nicht langweilen, doch das ersetzt keine virtuelle Welt voller Bewohner. Ana versucht die Probleme mit dem Neuroblast-Port vor Jax zu verbergen, aber er ist sich dennoch darüber im Klaren. Als sie eines Tages von der Arbeit kommt und sich einloggt, trifft sie ihn in merklicher Aufregung an.
    »Will dich wegen Port sprechen«, sagte er ohne weitere Einleitung.
    »Was ist damit?«
    »Früher habe geglaubt, ist nur ein Upgrade, wie früher. Jetzt ich glaube, ist viel größer. Ist mehr so wie hochladen, nur mit Digis und nicht mit Menschen, ja?«
    »Ja, so ist es wohl.«
    »Du hast gesehen Film mit Maus?«
    Ana weiß, welchen Film Jax meint. Er wurde vor Kurzem von einem Forscherteam veröffentlicht, das an der Digitalisierung von Lebensformen arbeitet. Man sieht darin eine blitzgefrorene Maus, die Millimeter für Millimeter von einem Elektronenstrahl abgetastet und dabei nach und nach verdampft wird; anschließend wird die Maus in einer Testszenerie instanziiert, virtuell aufgetaut und geweckt. Augenblicklich windet sich die Maus in Krämpfen und zuckt zwei subjektive Minuten lang auf die mitleiderregendste Weise, bis sie schließlich verendet. Momentan ist das die längste Überlebensspanne eines Säugetiers, die man je bei einer Datenübertragung erreicht hat.
    »Dir wird so etwas nicht passieren«, versichert sie Jax.
    »Du meinst, wenn passiert, dann ich mich nicht kann erinnern«, sagt er. »Ich mich nur kann erinnern, wenn Transfer erfolgreich.«
    »Niemand wird dich oder sonst jemanden auf einer nicht getesteten Engine laufen lassen. Nach der Portierung von Neuroblast werden wir Testeinheiten darauf laufen lassen und alle Bugs fixen, bevor wir ein Digi darauf abspielen. Diese Testeinheiten spüren nichts.«
    »Haben Forscher vor Mäuse hochladen Testeinheiten laufen lassen?«
    Jax ist wirklich gut darin, knifflige Fragen zu stellen. »Die Mäuse waren die Testeinheiten«, gibt Ana zu. »Aber das ist nur, weil niemand den Sourcecode für organische Gehirne hat, also kann man keine Testeinheiten schreiben, die einfacher als echte Mäuse sind. Wir kennen aber den Sourcecode für Neuroblast, also haben wir dieses Problem dort nicht.«
    »Aber ihr habt nicht Geld für Port.«
    »Nein, im Moment noch nicht, aber wir werden es zusammenbekommen.« Hoffentlich klingt sie zuversichtlicher, als ihr zumute ist.
    »Wie ich kann helfen? Wie ich kann Geld verdienen?«
    »Danke, Jax, aber im Moment gibt es für dich keine Möglichkeit, Geld zu verdienen«, sagt sie. »Deine Aufgabe ist fürs Erste einfach, weiter zu lernen und gut im Unterricht zu sein.«
    »Ja, weiß schon: jetzt lernen, später andere Sachen tun. Aber ich kann jetzt Geld leihen und später nach Geld verdienen zurückzahlen.«
    »Überlass das mir, Jax.«
    Jax wirkt missmutig. »Okay.«
    Jax’ Vorschlag ist im Grunde genau der Ansatz, den die Usergruppe seit einiger Zeit bei ihrer Suche nach Investoren verfolgt. Dieser Weg hat sich durch VirlFriday aufgetan, der Digis

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