Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)
Festanstellung und eine Einstiegsprämie, die offen gesagt grandios ist. Allerdings gibt es einen Haken.«
»Und? Spann mich nicht auf die Folter.«
»Alle Trainer müssen InstantCare benutzen.«
Derek reißt die Augen auf. »Das ist doch wohl ein Witz«, sagt er. InstantCare ist eines der intelligenten, transdermalen Medikamente, ein Pflaster, das einen Cocktail aus Oxytocin und Opioiden abgibt, sobald der Träger sich in der Nähe einer bestimmten Person befindet. Man verwendet es zur Stärkung maroder Ehen und schwieriger Eltern-Kind-Beziehungen, und neuerdings ist es rezeptfrei erhältlich. »Wozu, um Himmels willen?«
»Sie glauben, Zuneigung würde die Ergebnisse verbessern, und damit die Trainer Zuneigung zu den Sophonce-Digis empfinden, muss man pharmazeutisch eingreifen.«
»Ach so, ich verstehe. Es soll die Produktivität der Mitarbeiter steigern.« Derek kennt etliche Leute, die mittels Nootropika oder transkranieller Magnetstimulation ihre Arbeitsleistung steigern, doch bis jetzt hat noch kein Arbeitgeber das zur Bedingung erhoben. Ungläubig schüttelt er den Kopf. »Wenn ihre Digis so schwer zu lieben sind, sollte man doch meinen, sie sehen es ein und wechseln zu Neuroblast-Digis.«
»So was Ähnliches habe ich auch gesagt – es hat sie nicht weiter interessiert. Aber ich habe eine Idee.« Ana beugt sich vor. »Vielleicht kann ich sie ja umstimmen, wenn ich für sie arbeite.«
»Wie stellst du dir das vor?«
»Eine Möglichkeit wäre, dem Management bei Polytope Jax immer wieder vorzuführen. Ich könnte mich von der Arbeit aus in Erde 2.1 einloggen und Jax vielleicht sogar mal in seinem Roboterkörper zur Arbeit mitbringen. Wie ließe sich die Vielseitigkeit der Neuroblast-Engine besser demonstrieren? Und sobald sie überzeugt sind, werden sie sie nach Weltenraum portieren lassen.«
Derek lässt sich das durch den Kopf gehen. »Wenn sie es überhaupt erlauben, dass du Jax mit zur Arbeit nimmst …«
»Das kriege ich schon hin. Ich würde ihnen Jax ja nicht aufdrängen; ich würde es langsam angehen.«
»Könnte klappen«, sagt er. »Aber du müsstest das InstantCare-Pflaster tragen. Ist es das wert?«
Ana zuckt entnervt die Schultern. »Ich weiß es nicht. Es ist bestimmt nicht meine erste Wahl. Aber manchmal muss man etwas riskieren, oder? Und die Dinge ein bisschen vorantreiben.«
Derek weiß nicht so recht, was er sagen soll. »Was meint Kyle dazu?«
Sie seufzt. »Er ist komplett dagegen. Die Vorstellung, dass ich InstantCare nehme, gefällt ihm gar nicht, und er denkt, die Erfolgsaussichten seien keinesfalls gut genug, um so etwas zu rechtfertigen.« Sie schweigt kurz und sagt dann: »Aber er hat zu Digis nicht das gleiche Verhältnis wie du und ich, also ist es ja klar, dass er so denkt. In seinen Augen lohnt es sich nicht.«
Ganz offensichtlich erwartet Ana seine moralische Unterstützung, und Derek gibt sie ihr, doch innerlich fühlt er sich zerrissen. Er hat einige Bedenken, was ihr Vorhaben betrifft, zögert jedoch, sie auszusprechen.
Auch wenn er sich für solche Gedanken hasst – sobald Ana Probleme mit Kyle erwähnt, träumt er davon, dass die beiden sich trennen. Er hat sich zwar gesagt, dass er nie etwas täte, um sie und Kyle auseinanderzubringen, aber wenn Kyle Anas Interesse an den Digis nicht teilt, ist es nicht falsch, ihr zu zeigen, dass er selbst das sehr wohl tut. Falls Ana dadurch auf den Gedanken kommen sollte, dass er besser zu ihr passen würde als Kyle, ist ihm deswegen kein Vorwurf zu machen.
Die Frage ist nur: Glaubt er wirklich, dass Ana das Jobangebot von Polytope annehmen sollte? Er ist sich da nicht sicher, aber solange er keine klare Meinung hat, wird er sie unterstützen.
Nach dem Telefonat loggt Derek sich auf Erde 2.1 ein, um sich mit Marco und Polo zu treffen. Sie spielen gerade eine Partie Null-G-Racquetball, verlassen aber das Feld, als sie ihn erblicken.
»Ich heute nette Leute kennengelernt«, sagt Marco.
»Wirklich? Weißt du, wer sie waren?«
»Eine heißt Jennifer, und einer heißt Roland.«
Derek schaut im Besucherlogfile nach und ist entsetzt: Jennifer Chase und Roland Michaels gehören zu einer Firma namens Binary Desire, die sowohl virtuelle als auch echte Sexpuppen herstellt.
Schon früher hat die Usergruppe Anfragen von Leuten erhalten, die Digis für Sex benutzen wollen. Sexpuppen werden größtenteils immer noch von konventioneller Software gelenkt, die festgelegte Szenarien abspielt, doch schon seit Einführung der Digis
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