Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)
gibt es auch Menschen, die mit ihnen Sex haben wollen; normalerweise wird dabei ein Public-Domain-Digi kopiert und sein Belohnungssystem neu konfiguriert, damit es an allem Gefallen findet, was seinen Besitzer erregt. Kritiker sehen darin das Äquivalent eines Hundes, der jemandem Erdnussbutter von den Genitalien leckt, und der Vergleich ist nicht unpassend – hinsichtlich der Intelligenz dieser Digis wie auch der Art der Konditionierung. Ganz sicher sind im Moment keine Digis für Sex erhältlich, die auch nur annähernd so menschenähnlich wie Marco oder Polo sind, daher bekommt die Usergruppe gelegentlich Anfragen von Sexpuppenherstellern, die gern Kopien der Digis erwerben würden. Die Gruppe ist übereingekommen, solche Angebote zu ignorieren.
Doch dem Logfile zufolge hat Felix Radcliffe Chase und Michaels hereingelassen.
Derek bittet Marco und Polo weiterzuspielen und ruft Felix an. »Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht, Binary Desire nach Erde 2.1 mitzubringen?«
»Sie haben nicht versucht, die Digis zu sexualisieren.«
»Das sehe ich.« Derek lässt gerade die Filmaufnahme des Besuchs in einem anderen Fenster im Zeitraffer ablaufen.
»Sie haben sich mit ihnen unterhalten.«
Mit Felix ein Gespräch zu führen, ist manchmal, als würde man mit einem Alien reden. »Wir hatten eine Vereinbarung, was die Sexpuppenhersteller angeht, weißt du noch?«
»Diese Leute sind anders als die anderen. Mir gefällt, wie sie denken.«
Derek will lieber nicht wissen, was er damit meint. »Wenn du sie magst, dann bring sie doch nach Mars 2 und zeig ihnen deine Xenotherianer.«
»Ich habe sie ihnen gezeigt«, sagt Felix. »Sie waren nicht interessiert.«
Natürlich nicht, wird Derek klar; die Nachfrage nach Sex mit lojbanisch sprechenden Tripoden ist vermutlich mikroskopisch klein. Aber er sieht, dass Felix aufrichtig ist, dass es ihm nichts ausmachen würde, die Xenotherianer zu prostituieren, wenn er dadurch sein Erstkontakt-Experiment finanzieren könnte. Felix mag exzentrisch sein, aber er ist kein Heuchler.
»Dann hätte die Angelegenheit damit beendet sein müssen«, sagt er. »Wir werden dich auf Erde 2.1 wohl sperren müssen.«
»Ihr solltet mal mit diesen Leuten reden.«
»Nein, das sollten wir nicht.«
»Sie zahlen euch etwas dafür, dass ihr ihnen zuhört. Sie werden euch eine Nachricht mit den Einzelheiten schicken.«
Derek ist kurz davor loszulachen. Binary Desire muss schon ziemlich verzweifelt sein, wenn die Firma die Leute dafür bezahlt, sich ihr Geschäftsangebot anzuhören. »Eine Nachricht ist okay. Aber ich setze diese Leute auf die Sperrliste, und ich will nicht, dass du noch mal jemanden von einer Sexpuppen-Firma herbringst. Ist das klar?«
»Völlig klar«, sagt Felix und legt auf.
Derek schüttelt den Kopf. Unter normalen Umständen würde er nicht einmal in Erwägung ziehen, sich ein solches Angebot anzuhören, nicht einmal gegen Bezahlung, denn er will nicht den Eindruck erwecken, als wäre er bereit, Marco und Polo als Sexobjekte zu verkaufen.
Aber im Moment braucht die Usergruppe jeden verfügbaren Cent. Wenn sie durch die Teilnahme an einer Firmenpräsentation andere Firmen motivieren könnten, für ähnliche Events zu zahlen, dann würde sich die Sache vielleicht lohnen. Er startet die Filmaufnahme des Besuchs bei den Digis noch einmal und sieht sie sich in normalem Tempo an.
8
Die Usergruppe ist zusammengekommen, um sich die Präsentation von Binary Desire via Videokonferenz anzuhören; Binary Desire hat bei einem Treuhänder eine Zahlung hinterlegt, und nach dem Termin wird dieser den Betrag freigeben. Ana, die in der Mitte ihres Panoramabildschirms sitzt, sieht sich um; die Videofeeds aller Teilnehmer sind zugeschaltet, sodass der Eindruck entsteht, die Usergruppe hätte sich in einem virtuellen Konferenzsaal versammelt, in dem jeder eine winzige Loge belegt. Derek sitzt im Balkon zu ihrer Linken, Felix wiederum zu seiner Linken. Auf dem Podium steht am Sprechpult die Vertreterin von Binary Desire, Jennifer Chase. Ihr Bild auf dem Monitor ist blond, äußerst hübsch und geschmackvoll gekleidet, und da alle Beteiligten authentifizierten Videoaufnahmen zugestimmt haben, weiß Ana, dass Chase tatsächlich so aussieht. Sie fragt sich, ob Chase immer die Verhandlungen für Binary Desire führt; diese Frau kann sich vermutlich gut durchsetzen.
Felix erhebt sich von seinem Platz und beginnt auf Lojbanisch zu sprechen, dann reißt er sich zusammen. »Was sie zu sagen hat,
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