Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)
mit ihr zu Mittag gegessen.«
»Prima! Was ist dabei herausgekommen?«
»Die schlechte Nachricht ist, sie glaubt nicht, dass die Sache als gemeinnützig durchgeht, weil wir nur für eine ganz bestimmte Gruppe Geld sammeln.«
»Aber die neue Engine könnte jeder benutz…« Er unterbricht sich. Es stimmt zwar, dass sich weltweit in den Datenarchiven wahrscheinlich Millionen Speicherstände von Neuroblast-Digis befinden. Aber die Usergruppe kann nicht ernstlich behaupten, dass ihre Arbeit ihnen gilt; ohne Menschen, die bereit sind, sie aufzuziehen, wird keines dieser Digis von einer Weltenraum -Version der Neuroblast-Engine profitieren. Die Usergruppe hilft einzig und allein ihren eigenen Digis.
Ana nickt, ohne dass er etwas gesagt hätte; sie hat wohl bereits den gleichen Gedanken gehabt. »Okay«, sagt Derek, »wir können kein gemeinnütziger Verein sein. Was ist dann die gute Nachricht?«
»Sie meint, wir könnten trotzdem Geld sammeln, auch ohne gemeinnützig zu sein. Wir müssten nur eine Geschichte erzählen, die Mitleid mit den Digis selbst auslöst. Auf diese Weise finanzieren manche Zoos Dinge wie Elefanten-OPs.«
Er lässt sich das kurz durch den Kopf gehen. »Vielleicht könnten wir ja Filme über die Digis posten und bei den Leuten ein bisschen auf die Tränendrüse drücken.«
»Ganz genau. Und wenn die allgemeine Anteilnahme groß genug ist, stecken die Leute vielleicht nicht nur Geld in die Sache, sondern auch Zeit. Alles, was die Sympathiewerte der Digis steigert, erhöht die Chance, dass wir Hilfe aus der Open-Source-Community bekommen.«
»Ich werde mal meine Filmaufnahmen von Marco und Polo durchgehen«, sagt er. »Aus ihren jungen Jahren gibt es jede Menge niedliche Videos; bei den neueren Sachen bin ich mir nicht so sicher. Oder brauchen wir was Herzzerreißendes?«
»Wir sollten besprechen, was am besten funktioniert«, sagt Ana. »Ich schreibe eine Nachricht ins Forum und frage die anderen.«
Das erinnert Derek an etwas. »Übrigens, gestern hat mich jemand angerufen, der uns vielleicht helfen könnte. Es ist allerdings ziemlich weit hergeholt.«
»Wer denn?«
»Erinnerst du dich noch an die Xenotherianer?«
»Diese Digis, die so was wie Aliens sein sollten? Läuft dieses Projekt denn noch?«
»Gewissermaßen.« Er berichtet, dass ein junger Mann namens Felix Radcliffe Kontakt mit ihm aufgenommen hat, einer der letzten Teilnehmer am Xenotherianer-Projekt. Zermürbt von der Schwierigkeit, eine Alien-Kultur ganz neu zu erschaffen, haben die meisten der damaligen Bastler schon vor Jahren resigniert, aber es ist noch eine kleine Gruppe von Anhängern übrig, die mittlerweile beinahe davon besessen sind. Soweit Derek herausfinden konnte, sind die meisten von ihnen arbeitslos und verlassen kaum je ihre Zimmer im Haus ihrer Eltern; sie verbringen ihr ganzes Leben auf Mars 2 . Felix ist der einzige der Gruppe, der Kontakt mit Außenstehenden aufnehmen will.
»Und da nennt man uns Fanatiker«, sagt Ana. »Warum hat er dich denn angeschrieben?«
»Er hat davon gehört, dass wir versuchen, Neuroblast zu portieren, und möchte mithelfen. Er hat meinen Namen wiedererkannt, weil ich damals die Avatare für sie entworfen habe.«
»Du Glückspilz«, sagt sie lächelnd, und Derek schneidet eine Grimasse. »Wieso sollte es sie kümmern, ob Neuroblast portiert wird? Ich dachte, bei Mars 2 ginge es darum, die Xenotherianer abzuschotten.«
»Ursprünglich schon, aber mittlerweile glaubt er, sie seien so weit, um auf Menschen zu treffen, und will einen Erstkontakt initiieren. Wenn es Erde 2 noch gäbe, würde er die Xenotherianer eine Expedition zu den Hauptkontinenten entsenden lassen, aber das kommt ja nicht mehr infrage. Felix steht vor dem gleichen Problem wie wir: Er will, dass Neuroblast portiert wird, damit seine Digis Zutritt zu Weltenraum bekommen.«
»Na ja … das kann ich gut verstehen. Und du meinst, er könnte uns vielleicht helfen, Geld aufzutreiben?«
»Er versucht, Anthropologen und Exobiologen dafür zu interessieren. Er glaubt, ihnen würde so viel daran liegen, die Xenotherianer zu studieren, dass sie für den Port bezahlen.«
Ana wirkt skeptisch. »Ob sie für so etwas wirklich Geld hinlegen würden?«
»Ich bezweifle es«, sagt Derek. »Die Xenotherianer sind ja keine echten Aliens. Meiner Meinung nach hätte Felix bessere Chancen bei den Spieleproduzenten, schließlich brauchen sie Aliens, um ihre Welten zu bevölkern – aber das ist seine Entscheidung. Ich denke, solange
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