Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)
Bildhauer beteiligt.«
»Als ob es solche überhaupt gäbe«, sagte Willoughby verächtlich. »Sie sollten wissen, dass ich unserer Gewerkschaft zum Proteststreik gegen Coade geraten habe.«
»Das ist doch gewiss nicht Ihr Ernst.« Es war schon Jahrzehnte her, seit die Bildhauer das letzte Mal gestreikt hatten, und damals hatte es in gewalttätigen Ausschreitungen geendet.
»Doch, allerdings. Bei einer Abstimmung wäre die Mehrheit dafür, da bin ich sicher – die Bildhauer, mit denen ich über Ihre Arbeit gesprochen habe, sehen in Ihnen genauso eine Bedrohung wie ich selbst. Trotzdem wird die Gewerkschaftsleitung nicht darüber abstimmen lassen.«
»Dann teilt sie Ihre Einschätzung also nicht.«
Willoughby runzelte die Stirn. »Offenbar hat die Royal Society eingegriffen und die Bruderschaft überzeugt, sich vorerst zurückzuhalten. Sie haben ein paar mächtige Leute gefunden, die Sie unterstützen, Mr. Stratton.«
Stratton biss die Zähne zusammen und erwiderte: »Die Royal Society hält meine Forschungsarbeit für wertvoll.«
»Mag sein, aber bilden Sie sich nicht ein, dass die Sache damit erledigt wäre.«
»Glauben Sie mir, Ihre Feindseligkeit ist ganz unbegründet«, erwiderte Stratton unbeirrt. »Wenn Sie erst einmal gesehen haben, wie nützlich diese Automaten für die Bildhauer sind, werden Sie erkennen, dass sie keine Gefahr für Ihren Berufsstand darstellen.«
Statt einer Erwiderung warf Willoughby ihm nur einen finsteren Blick zu und stapfte davon.
Als Stratton Lord Fieldhurst das nächste Mal sah, fragte er ihn, auf welche Weise die Royal Society sich eingemischt hatte. Sie befanden sich in Fieldhursts Studierzimmer, und der Earl schenkte sich gerade einen Whisky ein.
»Ah, ja«, sagte er. »Mit der Bruderschaft der Bildhauer als Institution ist nicht zu spaßen, aber für sich genommen sind die Mitglieder gewissen Argumenten gegenüber doch zugänglich.«
»Welcher Art von Argumenten?«
»Die Royal Society hat Kenntnis davon, dass einige der führenden Mitglieder auf dem Kontinent in einen Fall von Namenspiraterie verwickelt sind. Die Sache ist noch immer nicht ganz geklärt. Um einen Skandal zu vermeiden, war man bereit, einen Streik zu verschieben, bis Sie Ihr Verfahren vorgestellt haben.«
»Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihren Beistand, Lord Fieldhurst«, sagte Stratton verblüfft. »Ich muss gestehen, ich hatte keine Ahnung, dass die Royal Society sich solcher Taktiken bedient.«
»Natürlich diskutieren wir derartige Angelegenheiten nicht auf den Hauptversammlungen.« Lord Fieldhurst lächelte verschmitzt. »Der wissenschaftliche Fortschritt verläuft nicht immer geradlinig, Mr. Stratton, und zuweilen ist die Royal Society gezwungen, sowohl offizielle als auch inoffizielle Wege zu beschreiten.«
»Allmählich weiß ich das zu schätzen.«
»Andererseits schreitet die Bruderschaft der Bildhauer, auch wenn sie nicht ausdrücklich einen Streik anzettelt, vielleicht selbst zur Tat – zum Beispiel durch die Verbreitung anonymer Pamphlete, die die Öffentlichkeit gegen ihre Automaten aufbringen.« Er trank einen Schluck Whisky. »Hmm. Vielleicht sollte man Master Willoughby im Auge behalten.«
Stratton war im Gästeflügel von Darrington Hall untergebracht, genau wie die anderen Nomenklatoren, die unter Lord Fieldhurst arbeiteten. Es handelte sich um einige der angesehensten Mitglieder des Berufsstandes, darunter Holcombe, Milburn und Parker; Stratton war es eine Ehre, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Allerdings konnte er nur wenig beitragen, da er sich erst noch Ashbournes Methodik der biologischen Nomenklatur aneignen musste.
Bei Namen auf organischem Gebiet verwendete man zum Teil dieselben Epitheta wie bei Automaten, aber Ashbourne hatte ein ganz anderes System der Zusammensetzung und Zerlegung entwickelt, das viele neuartige Permutationsmethoden einschloss. Für Stratton war es beinahe, als ginge er wieder auf die Universität, um die Nomenklatur neu zu erlernen. Allerdings konnte man mit diesen Verfahren ganz offensichtlich schnell neue Namen für Arten entwickeln. Mittels der Ähnlichkeiten, die sich aus dem linnéschen Klassifizierungssystem ergaben, konnte man sich von einer Spezies zur nächsten vorarbeiten.
Stratton lernte auch mehr über das geschlechtliche Epitheton, das einem Automaten normalerweise männliche oder weibliche Eigenschaften verlieh. Er kannte nur ein solches Epitheton und erfuhr zu seiner Überraschung, dass es das einfachste von vielen anderen
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