Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)
ihren Mann für den Vater des Kindes halten, daher wird ihre Vorstellungskraft sowohl ihre eigenen äußerlichen und charakterlichen Merkmale als auch die ihres Mannes auf den Fötus übertragen. In dieser Hinsicht ändert sich nichts. Und ich muss wohl kaum erwähnen, dass man unverheirateten Frauen die Namensprägung nicht gestatten würde.«
»Sind Sie sicher, dass daraus wohlgewachsene Kinder werden?«, fragte Stratton. »Sie wissen bestimmt, was ich meine.« Sie alle kannten den katastrophalen Versuch im vergangenen Jahrhundert, als man verbesserte Kinder erschaffen wollte, indem man die Frauen während der Schwangerschaft hypnotisierte.
Ashbourne nickte. »Glücklicherweise akzeptiert die Eizelle nur ganz bestimmte Anreize. Es gibt für jede Spezies nur wenige Euonyme; wenn die lexikalische Ordnung des eingeprägten Namens nicht genau der strukturellen Ordnung der betreffenden Art entspricht, wächst der dadurch entstandene Fötus nicht. Das befreit die Mutter nicht von der Notwendigkeit, während ihrer Schwangerschaft eine ausgeglichene Geisteshaltung zu wahren; das Einprägen eines Namens schützt nicht vor seelischer Erregung der Mutter. Doch gerade weil die Eizelle so stark selektiert, sind auf diese Weise erzeugte Föten in jeder Hinsicht normal entwickelt – mit einer Ausnahme, ganz wie wir es vorausgesehen hatten.«
Stratton war beunruhigt. »Und worum handelt es sich dabei?«
»Können Sie sich das nicht denken? Der einzige Fehler bei Fröschen, die man durch Namensprägung hervorgebracht hatte, fand sich bei den Männchen; da in ihren Spermatozoen keine Föten angelegt waren, waren sie steril. Weibliche Frösche hingegen waren fruchtbar – ihre Eier ließen sich entweder auf konventionelle Weise befruchten oder indem man die Prägung mit einem Namen wiederholte.«
Stratton war einigermaßen erleichtert. »Dann war also die männliche Namensvariante fehlerhaft. Es muss wohl noch weitere Unterschiede zwischen den männlichen und weiblichen Varianten geben als nur das geschlechtliche Epitheton.«
»Nur wenn man davon ausgeht, dass die männliche Variante fehlerhaft ist«, sagte Ashbourne, »was ich nicht tue. Überlegen Sie: Ein fruchtbares Männchen und ein fruchtbares Weibchen mögen zwar nach außen hin gleich aussehen, unterscheiden sich jedoch erheblich hinsichtlich ihrer Komplexität. Ein weibliches Wesen, das über intakte Eizellen verfügt, ist immer noch ein einzelner Organismus, während ein männliches Wesen mit intakten Spermatozoen eigentlich aus vielen Organismen besteht, nämlich einem Vater und allen seinen potenziellen Kindern. So gesehen ergänzen sich die beiden Varianten des Namens perfekt in ihrer Wirkung: Jede erzeugt einen einzelnen Organismus, aber nur beim weiblichen Geschlecht kann ein einzelner Organismus fruchtbar sein.«
»Ich verstehe, was Sie meinen.« Stratton wurde klar, dass er auf dem Gebiet der organischen Nomenklatur noch viel zu lernen hatte. »Haben Sie Euonyme für andere Arten gefunden?«
»Nur für ungefähr zwanzig verschiedene, aber wir machen rasche Fortschritte. Mit der Arbeit an einem Namen für die menschliche Art haben wir gerade erst begonnen, und dieses Unterfangen erweist sich als weitaus schwieriger als unsere bisherigen Namen.«
»Wie viele Nomenklatoren arbeiten an diesem Projekt?«
»Nur eine Handvoll«, erwiderte Fieldhurst. »Wir haben bei ein paar Mitgliedern der Royal Society angefragt, und die besten désignateurs Frankreichs unterstützen uns. Sie werden begreifen, dass ich an dieser Stelle noch keine Namen nennen kann, aber seien Sie versichert, dass uns einige der renommiertesten Nomenklatoren Englands zur Seite stehen.«
»Verzeihen Sie meine Frage, aber warum sind Sie an mich herangetreten? Ich gehöre doch wohl kaum in diese Kategorie.«
»Sie haben zwar noch keine lange Karriere vorzuweisen«, sagte Ashbourne, »aber die Gattung der von Ihnen entwickelten Namen ist einzigartig. Automaten waren, ähnlich wie Tiere, hinsichtlich Form und Funktion schon immer spezialisiert: Manche können gut klettern, andere graben, aber keiner kann beides. Ihre Automaten jedoch verfügen über menschliche Hände, deren Vielseitigkeit einzigartig ist – womit sonst könnte man alles bedienen, sei es nun ein Schraubenzieher oder ein Piano? Die Geschicklichkeit der Hand ist die physische Manifestation des menschlichen Verstandes, und das ist für den Namen, den wir suchen, von entscheidender Bedeutung.«
»Wir haben uns diskret einen
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