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Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)

Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)

Titel: Das wahre Wesen der Dinge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ted Chiang
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Betreuung der Digis die Avatare selbst tragen müssen, und es wird schon schwer genug werden, die Tentakel zu kontrollieren.
    Die Bastler nennen ihre neue Spezies »Xenotherianer« und haben einen eigenen Kontinent namens Mars 2 eingerichtet, auf dem sie eine Alien-Kultur von Grund auf neu erschaffen wollen. Derek ist neugierig darauf, hatte aber noch keine Gelegenheit zu einem Besuch, denn die einzige Sprache, die in Gegenwart der Digis gesprochen werden darf, ist ein besonderer Dialekt der künstlichen Sprache »Lojbanisch«. Er fragt sich, wie lange die Bastler ihr Projekt wohl durchziehen werden. Abgesehen von dem stark erschwerten Zugang wird die Aufzucht der Xenotherianer keine der Freuden bieten, wie Ana und er sie gerade mit Marco erlebt haben. Der Lohn für ihre Bemühungen wird rein intellektueller Art sein, und ob das auf Dauer genug ist?
    3
    Im Laufe des folgenden Jahres ändern sich die Aussichten für Blue Gamma von »freundlich« zu »stark bewölkt«. Die Verkäufe an Neukunden sind zurückgegangen, aber was noch schlimmer ist, die Einnahmen durch die Futtersoftware sind geschrumpft: Immer mehr Kunden legen ihre Digis still.
    Das Problem ist, dass die Neuroblast-Digis die Kindheit hinter sich gelassen haben und langsam zu anstrengend werden. Bei der Entwicklung hat Blue Gamma eine Mischung aus Intelligenz und Gehorsam angestrebt, aber wie sich herausstellt, haben die Entwickler wegen des nicht kalkulierbaren Anteils, der in jedem Genom steckt, selbst einem digitalen, ihr Ziel verfehlt. Wie bei einem allzu komplizierten Spiel ist die Balance aus Herausforderung und Belohnung durch die Digis nicht mehr ausgewogen, sodass viele Leute ihrer überdrüssig werden und sie in den Ruhemodus versetzen. Anders als Menschen, die unbedacht einen bestimmten Rassehund kaufen, kann man Blue Gammas Kunden nicht den Vorwurf machen, sie hätten ihre Hausaufgaben nicht gemacht – die Firma wusste ja selbst nicht, dass die Digis sich so entwickeln würden.
    Ein paar Freiwillige haben Auffangheime eröffnet, die ungeliebte Digis aufnehmen, in der Hoffnung, sie an neue Besitzer vermitteln zu können. Die Freiwilligen verfolgen dabei unterschiedliche Strategien: Einige lassen die Digis ununterbrochen laufen, andere wiederum setzen die Digis alle paar Tage auf ihren letzten Sicherungspunkt zurück, um zu verhindern, dass sie durch das Verlassenwerden Probleme entwickeln, die eine Adoption erschweren. Keine der beiden Strategien ist besonders erfolgreich darin, potenzielle neue Besitzer anzulocken. Hin und wieder kommt es vor, dass jemand ein Digi ausprobieren möchte, ohne es großziehen zu müssen, doch diese Adoptionen sind nie von Dauer, und schließlich werden die Heime mehr oder weniger zu Digi-Depots.
    Ana ist nicht glücklich über diese Entwicklung, aber sie kennt die Fakten aus dem Tierschutz und weiß, dass man nicht alle retten kann. Am liebsten würde sie verhindern, dass die Maskottchen von Blue Gamma etwas von alldem erfahren, aber das Phänomen ist zu weit verbreitet, als dass dies machbar wäre. Es kam immer wieder vor, dass sie mit den Maskottchen auf dem Spielplatz war und eines der Digis gemerkt hat, dass ein Spielkamerad fehlte.
    Der heutige Ausflug zum Spielplatz ist anders und bringt eine angenehme Überraschung mit sich. Noch ehe alle Maskottchen durch das Portal hindurch sind, sehen Jax und Marco ein weiteres Digi, das einen Roboteravatar trägt. Beide schreien gleichzeitig »Tibo!« und laufen zu ihm hinüber.
    Neben den Maskottchen ist Tibo eines der ältesten Digis und gehört einem Beta-Tester namens Carlton. Carlton hat Tibo vor etwa einem Monat angehalten; Ana freut sich, dass es offenbar nicht für immer war. Während die Digis durcheinanderschnattern, lässt sie ihren Avatar zu Carlton hinübergehen und unterhält sich mit ihm; er erklärt ihr, dass er einfach eine Pause gebraucht hat und sich jetzt wieder bereit fühlt, Tibo die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.
    Später, nachdem sie die Maskottchen vom Spielplatz zur Insel von Blue Gamma zurückgebracht hat, erzählt Jax ihr von seinem Gespräch mit Tibo. »Ihm erzählt von Spaß wir hatten, als er weg. Ihm erzählt, Zoo-Ausflug war viel Spaß.«
    »War er traurig, dass er das verpasst hat?«
    »Nein, er gleich gestreitet. Er gesagt, Ausflug war Stadt, nicht Zoo. Aber Stadt-Ausflug war letzter Monat.«
    »Das kommt daher, weil Tibo während seiner Abwesenheit die ganze Zeit über im Ruhezustand war«, erklärt Ana. »Deshalb denkt er, der

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