Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
Gefühl, in eine Nervensäge geraten zu sein... «
    »Humor haben Sie wenig, wie?«
    »Finden Sie den Anfang so humoristisch?«
    »Ich finde ihn einfach großartig!« sagte Fräulein Sonntag.
    »Ich eigentlich auch«, meinte Otto Lobedanz und grinste Fräulein Sonntag schüchtern an.
    Frau Pütterich hatte inzwischen ein Taschentuch von Serviettengröße auf ihrem Schoß ausgebreitet und das Netz mit den Pergamentpäckchen daraufgestellt. Sie beschnupperte die Päckchen von außen.
    » Ach, du liebe Güte«, murmelte Otto Lobedanz, »ich fürchte, die fängt hier an und hört in Rimini zu futtern auf.«
    Frau Lobedanz saß stumm in ihrer Ecke. Sie hatte den Schlag noch immer nicht verwunden.
    Frau Pütterich stellte die Thermosflasche auf das Klapptischchen am Fenster: »Komisch«, sagte sie, »früher, da gab es für mich nichts Schöneres zum Kaffee als ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte oder einen Obstkuchen mit Sahne. Und jetzt? Sie werden lachen — eine Käsesemmel! Ein pikanter Tilsiter, da geht mir nichts darüber.«
    Herr von Berg machte ein Gesicht, als würde ihm ein Zahn gezogen. Fräulein Sonntag brach in ein kleines Gelächter aus, und Otto Lobedanz hob die Nase, denn es war fraglos der pikante Tilsiter, den Frau Pütterich aus dem Pergamentpapier wickelte.
    »Mein Hausarzt, der Doktor Siebert aus der Kranengasse, wollte mich ja an die kurze Leine legen. Für Sie schreibe ich kein Rezept, Frau Pütterich, außer einem: friß die Hälfte. Das sagte der Mann mir glatt ins Gesicht. Na, damit hatte er mich auch zum letztenmal gesehen. So was zu einer Dame! Seitdem bin ich bei einem Heilpraktiker. Ein wunderbarer Mensch! Und wissen Sie, was der mir sagte? Ihre Zustände kommen nur vom vegetarischen Nervensystem, Frau Pütterich, und da gibt es nur eins, Sie müssen die Nerven polstern! Polstern, sage ich!« Sie führte die Semmel zum Munde, aber der Mund blieb offenstehen, sie starrte zur Tür, als sähe sie eine Erscheinung, und preßte die linke Hand mit einem kleinen Aufschrei dorthin, wo man ihr Herz vermuten durfte.
    »Mein Gott«, seufzte sie, »genau mein seliger Pütterich!«
    Vor der Abteiltür stand ein kleiner, schmalschultriger und sehr zart wirkender älterer Herr, ganz grau gekleidet und mit einer hellen Reisemütze auf dem schmalen Schädel. An seinem Arm hing ein Netz, das einige Bücher, einen rot gebundenen Reiseführer und drei oder vier rotbäckige Äpfel enthielt. Einen nicht allzu großen braunen Lederkoffer, der im Leben schon einiges abbekommen hatte, trug der Page Erich hinterdrein.
    »Oh, das war aber höchste Zeit!« seufzte der kleine Herr und atmete rasch und flach, dabei beugte er sich ein wenig vor, als lausche er auf den Schlag seines Herzens; »es war eine Dummheit von mir, so zu laufen, aber die Trambahn hatte einen Zusammenstoß mit einem Lieferwagen. Ich fürchtete schon, ich würde den Zug versäumen.«
    »So was konnte meinem Pütterich nie passieren«, sagte Frau Pütterich und räumte ihre Handtasche von dem Sitz gegenüber, »der war immer eine halbe Stunde vor Zugabgang auf dem Bahnhof. Dorchen, sagte er immer, daß die Ersten die Letzten sein werden, gilt nur für den Himmel. Auf Erden geht der Erste als Sieger durchs Ziel.«
    »Er scheint ein rechter Schelm gewesen zu sein«, sagte der kleine Herr. Er ließ sich Frau Pütterich gegenüber auf seinem
    Platz am Fenster nieder. Herr von Berg nahm ihm das Netz mit den Büchern ab und hängte es an den Mantelhaken.
    »Oh, danke, mein Herr, Sie sind sehr liebenswürdig...«
    »Wie mein Pütterich immer zu sagen pflegte: Höflichkeit kostet nichts und kann viel einbringen...«
    »Er muß wirklich ein bemerkenswerter Mann gewesen sein«, meinte der alte Herr mit einem kleinen Lächeln, »zum mindesten bewegte er sich bei seinen Weisheiten nicht auf den üblichen Allgemeinplätzen.«
    »Der Mann war ein Orrschinal!« sagte Frau Pütterich.-
    Herr von Berg zog seine messerscharfen Bügelfalten an und warf einen wild rollenden Blick in die Runde. Auch Fräulein Sonntag schien das Orrschinal Pütterich allmählich den Nerv zu töten. Sie hatte die Absicht, das Abteil zu verlassen, und erhob sich halb, aber in diesem Augenblick gab es einen Ruck, der sie auf ihren Sitz zurückwarf. Der Zug fuhr an und rollte langsam aus der Halle. Und wenige Sekunden später ertönte die Stimme des Reiseleiters aus den Lautsprechern der Abteile. Er hieß die Teilnehmer willkommen und wünschte ihnen im Aufträge der Direktion der

Weitere Kostenlose Bücher