Das war eine schöne Reise
Feriale-Reisen einen angenehmen Urlaub. Er nannte über den Lautsprecher auch seinen Namen, Richard Korber, und stand den Reisenden für Fragen oder Wünsche in seinem Abteil in der Mitte des Zuges stets zur Verfügung.
»So, den Schmus hätten wir hinter uns«, sagte Fräulein Sonntag, »es ist jedes Mal die gleiche Platte.«
»Diese Lautsprecher werden uns doch nicht etwa während der Fahrt mit Musik versorgen?« fragte der kleine Herr ängstlich.
»Sie dürfen unbesorgt sein, sie werden nur zu Mitteilungen an die Reisenden benutzt.«
»Danke, mein Fräulein, Sie erleichtern mir das Herz. Nicht, daß ich etwas gegen Musik hätte, ganz im Gegenteil, Musik ist mein Beruf...«, er zögerte und blickte unsicher von einem Gesicht zum anderen, »ich weiß nicht, ob es auf diesen Reisen üblich ist, sich vorzustellen. Aber da man einander zwei Wochen lang täglich begegnen und vielleicht im selben Hotel wohnen wird...«
»Wir kennen uns alle schon«, sagte Fräulein Sonntag ermunternd, »Ihnen gegenüber sitzt Frau Pütterich, die Dame links neben mir ist Frau Lobedanz, ihr gegenüber sitzt Herr Lobedanz, ihr Sohn, und der Herr neben Ihnen ist Herr von Berg.« Sie hatte ein bemerkenswertes Namensgedächtnis. »Und mein Name ist Maria Sonntag...«
»Was für ein hübscher Name!« sagte der alte Herr.
»Und ich bin, um auch noch das zu sagen, Sekretärin und sozusagen die linke Hand vom Chef. Für die rechte bin ich noch nicht alt genug, aber so alt hoffe ich in der Firma auch gar nicht zu werden.«
»Auf den Mund sind Sie jedenfalls nicht gerade gefallen, Fräulein«, stellte Frau Pütterich ein wenig verkniffen fest und biß endlich in ihre Käsesemmel, »aber das ist wohl ein allgemeiner Zug bei der heutigen Jugend.«
Sie schien mit dieser Feststellung zum erstenmal die uneingeschränkte Zustimmung von Frau Lobedanz zu finden, während den beiden jungen Leuten die Gewandtheit von Fräulein Sonntag sichtlich imponierte. Auch der alte Herr nickte dem jungen Mädchen freundlich zu.
»Wer Sonntag heißt, muß ja fast etwas von einem Sonntagskind an sich haben«, sagte er. »Mein Name ist leider sehr wenig poetisch und scheint auch auf meine Statur zurückgeschlagen zu haben. Ich heiße nämlich Schnürchen, Hermann Schnürchen«, und er deutete reihum fünf kleine Verbeugungen an.
»Ja, gibt es denn so etwas?« rief Frau Pütterich mit vollem Mund, »haben Sie wirklich Hermann Schnürchen gesagt?«
»Allerdings...«
»Wissen Sie, daß der Inhaber des Großversandhauses Zentral Hermann Schnürchen heißt?«
»Ach, du lieber Himmel«, seufzte der alte Herr, »es ist ein Verhängnis, mit diesem Namen herumzulaufen. Und das schlimmste dabei ist, daß ich mit jenem Schnürchen nicht einmal allzu weit entfernt verwandt bin. Es ist eine Art Vetternschaft vom Großvater her. Nur, daß ich der arme Vetter bin und daß wir einander noch nie begegnet sind. Er wird auch keinen Wert darauf legen...«
»Jedenfalls verkaufe ich an seine Firma pro Jahr für rund zwanzig Mille Dekorationsblumen...«
»Hoffentlich bleibt Ihnen dabei etwas hängen. Der Mensch soll ein fürchterlicher Filz sein.«
»Filz hin, Filz her, was wollen Sie? Je mehr einer hat, desto mehr will er besitzen, das ist eine alte Geschichte. Nun ja, er ist in seiner Kalkulation scharf wie ein Rasiermesser. Aber Pütterichs Witwe ist auch nicht gerade auf den Kopf gefallen.«
»Das habe ich schon gemerkt...«
»Sie sind Musiker, Herr Schnürchen?« fragte Fräulein Sonntag.
»Ja, mein Fräulein, ich bin Flötist, und ich bin mit meinem Instrument weit in der Welt herumgekommen, in Frankreich, in England und sogar in den Vereinigten Staaten. Aber das ist schon eine ganze Weile her. Seit einigen Jahren spiele ich nur noch in einem kleinen Kammerorchester...«
»Komisch!« kicherte Frau Pütterich, »mein Pütterich spielte Klarinette. Er hatte grad solch kleine Händchen wie Sie, Herr Schnürchen. Ein Wunder, daß er mit diesen Fingern sechs Löcher gleichzeitig zuhalten konnte...«
»Sieben, verehrte Frau Pütterich, sieben! Sie vergessen das Oktavloch.«
»Was Sie nicht sagen, sogar sieben! Nun, ob sechs oder sieben, mein Pütterich tirilierte ja nur so nebenbei, und ehrlich gesagt, sehr musikalisch war er nicht und griff häufig daneben. Aber er war eben immer gut aufgelegt. Das vermißt man. Seine Schwester Hedwig ist genau das Gegenteil. Immer brummig. Nun ja, ich möchte mich ja auch nicht ein Leben lang mit einem kurzen Fuß herumschleppen und mit
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