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Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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alle vierzehn Tage an.« Sie kicherte in sich hinein, »jedenfalls kann ich Ihnen nur sagen, daß mein Neffe Emil jeden Sommer mit einer anderen Braut ins Camping fährt und daß er sehr komisch aus der Wäsche glotzen würde, wenn er seinen Urlaub mit meiner Schwester Selma verbringen müßte«.
    »Mein Sohn muß nicht, er tut es gern! Wir verreisen seit Jahren gemeinsam, weil wir nämlich noch ein Familienleben führen!«
    Otto Lobedanz suchte den Fuß seiner Mutter am Boden, um kräftig draufzutreten, aber er fand ihn nicht, und sie ließ sich nicht aufhalten, ehe sie nicht den letzten Schuß abgefeuert hatte: »Und ich bin sehr froh darum, daß es auch andere junge Männer als Ihren Neffen Emil gibt, Frau Pütterich! — falls ich Ihren Namen richtig verstanden habe.«
    »Genau verstanden, Frau...?«
    »Lobedanz!« sagte Frau Lobedanz laut und schrill.
    »Lobedanz? Dem Namen bin ich doch schon mal begegnet. Warten Sie...Natürlich, jetzt besinne ich mich...Lobedanz war unser Geldbriefträger! Lieber Gott, aber das ist ja nun auch schon Jahre und Jahre her. Ein netter Mann, und immer gut aufgelegt wie mein Pütterich. Na, Herr Postrat, sagte ich immer, wenn Lobedanz eine größere Überweisung brachte, wie ist das, soll ich Ihnen eine Blume oder eine Zigarre hinters Ohr stecken? Und er sagte dann: Halten Sie mich für ‘nen deutschen Beamten oder für ein Hula-Hula-Mädchen, Frau Pütterich?«
    Otto Lobedanz sah, daß seine Mutter erblaßte und daß ihre Nasenflügel zu zittern begannen. Sie tat ihm ein bißchen leid, denn die Rolle der Postratswitwe fiel jetzt natürlich flach. Aber ehe sie dazu kam, Luft zu holen und den Vater zu verleugnen, um womöglich zu einer gutsituierten Bundesbahnratswitwe oder zur Justiz umzusatteln, sagte er laut und vernehmlich: »Es war mein Vater!«
    Frau Lobedanz sank in sich zusammen.
    »Wie sagte mein Pütterich immer«, rief die Dicke und schlug die auffallend kleinen Händchen zusammen, »Dorchen, sagte er immer, die Welt ist ein Dorf. Da fährt man nun nach Italien und begegnet im selben Abteil sozusagen alten Bekannten. Na, sicherlich hat Ihr Mann Ihnen gegenüber doch den Namen Pütterich erwähnt...«
    »Nicht, daß ich wüßte«, murmelte Frau Lobedanz vernichtet.
    »Pütterichs Kunstblumen!« sagte Frau Pütterich, als könne sie es nicht fassen, daß Herr Lobedanz aus dem Leben geschieden sei, ohne ein Wort über die Firma Pütterich verloren zu haben. »Export in alle Welt, sogar nach Südamerika! Ich beschäftige dreißig Angestellte. Und mein kleiner Pütterich hat den ganzen Laden aufgezogen und die Beziehungen geschaffen. Natürlich waren nach dem Kriege alle Drähte gerissen. Aber das Adressenmaterial war noch da. Na, und da habe ich mich eben hineingekniet. Lieber Gott, womit man anfing! Ich kann es ja ruhig sagen, es ist nichts Unanständiges dabei: mit achtzig Rollen rosa Klopapier, wahr und wahrhaftig! Daraus habe ich Nelken gedreht und geschnippelt, bis mir die Fingerspitzen bluteten. Aber ich habe sie verkauft. Als Kranzblumen an Gärtnereien. Sie gingen los wie die warmen Semmeln. Und dann beschäftigte ich zwei Mädchen, und dann vier, und dann acht, und so ging es weiter. Und Hedchen, die Schwester meines seligen Pütterich, hält den Laden in Schwung, wenn ich unterwegs bin. Sie hat einen kurzen Fuß, das arme Wesen, und ‘ne hohe Schulter hat sie auch. Sie ist als Kind mal von der Leiter gefallen. Aber eine Seele von Mensch und treu wie Gold.«
    Herr von Berg streifte die weiße Manschette am linken Handgelenk zurück und warf einen Blick auf seine Armbanduhr: »Fünf Minuten darüber«, sagte er zu Fräulein Sonntag.
    »Diese Ferienzüge laufen außerhalb des Fahrplans.«
    »Ich mache solch eine Gesellschaftsreise zum erstenmal mit«, sagte er und streifte den Handschuh von seiner rechten Hand. Ober ihren Rücken zog sich eine tiefe, frisch verheilte Narbe. »Ich glaube, daß das überhaupt meine erste Bahnfahrt seit zehn Jahren ist. Aber Sie sehen, ich habe Pech gehabt ...« Er blies auf die Narbe und fügte hinzu: »Und das rechte Knie sah auch nicht besonders appetitlich aus.«
    »Oh, ein Unfall?«
    »Ich bin Testingenieur. Die Geschichte passierte bei einer Probefahrt. Lag aber nicht am Drehkolbenmotor. Das ist eine große Sache. Eine Ölspur... Ich lag zwei Monate in Gips. Und dann las ich die Feriale-Reklame: entspannen, erholen, bequem reisen...« Er verzog die Mundwinkel und warf einen schrägen Blick zu Frau Pütterich hinüber: »Habe das

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