Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
Vom Netzwerk:
»Nein.«
    »Haben Sie gestern gearbeitet?« »Ja.«
    »Da auch niemand?« »Nein.«
    »Und vorgestern?« »Auch nicht, Sir.«
    »Wie lange haben Sie denn vorgestern gearbeitet, Agneszka?« »Den ganzen Tag.«
    »Und es hat wirklich ... «, ich beendete den Satz nicht, wandte mich meinem Salat zu und kam mir lächerlich vor, weil ich mir bereits ausgemalt hatte, wie Gracy Welsh - von einem ihrer Assistenten alarmiert - hierherbrauste, über die dicken Teppiche auf mich zuschritt und mild lächelte, sobald sie meinen Tisch erreicht hatte: »Henry, was machst du denn für Sachen?« Ich hatte es mir nicht nur ausgemalt, ich hatte mich darauf gefreut.
    Doch auch als der Salat gegessen war und bereits eine zweite Cola vor mir stand, saß ich immer noch allein da. Suchte der Verlag nicht nach mir? Hatten sie mit leicht ironischem Lächeln von meiner »sensiblen Künstlerseele« gesprochen und beschlossen, mich aus Rücksicht auf eben diese in Ruhe zu lassen?
    Ich schaltete mein iPhone wieder an und dachte an meinen alten Freund Steve Jobs. Auch er würde in diesem Jahr auf das signierte Exemplar meines neuesten Romans verzichten müssen, das ich ihm sonst jedes Jahr schickte, wofür ich eines dieser obskuren Apple-Produkte bekam, im letzten Jahr ein iPhone, randvoll mit überflüssigen Funktionen, Landkarten, Internet, Musik und so weiter. Nun machte ich Gebrauch davon, öffnete den Internet-Browser, suchte Chicago Tribune Börsenhändler und fand eine Menge Bilder. Ich stieß sogar auf ein Bilderrätsel, wo man raten sollte, ob es sich um Börsenhändler während eines Crashs handelte oder um Pornostars während des Orgasmus, doch den verzweifelten Business-Boy fand ich nicht.
    Dann sah ich mir das Bild aus der Zeitung noch einmal genau an und konnte im Hintergrund den Ausschnitt eines Banners erkennen, auf dem ich einige Buchstaben entziffern konnte: alue for tomorr. »Value für tomorrow«, sagte das Internet, und dass das der Werbespruch von Rutherford & Gold war, der größten Bank hier in Chicago, mit Hauptsitz in der LaSalle Street. Meine Bank.
    Mir wäre das nicht aufgefallen, wer merkt sich schon den Werbespruch seiner Bank?
    Da vibrierte mein iPhone. Visual Voicemail teilte mir mit, dass ich drei Nachrichten hatte. Natürlich hatte ich das.
    Piep.
    »Hallo, Henry, na, wie geht's? Ich wollte fragen, ob du schon weißt, wann du wieder zum Anti-Aging kommen kannst. Du weißt ja, lange Pausen sind nicht gut. Wenn man einem das Alter erst mal ansieht, ist's zu spät.«
    Piep.
    »Hier ist Val. Ich wollte nur fragen, ob alles in Ordnung ist, Sie waren gar nicht da heute. Na ja, dann bis übermorgen.«
    Im Hintergrund hörte ich die Beats der gut gelaunten House-Musik, zu der ich jeden Montag, Mittwoch und Freitag auf die Fitnessmatte stieg und mich, in Turnhose und T-Shirt, durch einen genau auf mich zugeschnittenen, von Val Swanthaler beaufsichtigten Workout kämpfte.
    Piep.

»Hier ist noch mal Enrique ... «, ich schaltete die Mailbox ab.
    Dann suchte ich nach der genauen Adresse des Hauptsitzes von Rutherford & Gold, zahlte und machte mich auf den Weg.
    Als ich durch die Handtaschenabteilung zum Ausgang ging, bekam ich plötzlich das Gefühl, dass mir jemand folgte. Ich konnte in dem Gedränge hinter mir zwar keine bestimmte Person ausmachen, aber es schien mir, dass jedes Mal, wenn ich mich umdrehte, irgendwer da war, der auch schon hinter mir gewesen war, als ich mich das letzte Mal umgedreht hatte. Irgendwas war immer gleich, ein kleinster gemeinsamer Nenner.
    Ich nahm die Rolltreppe ins Untergeschoss, duckte mich gerade so weit in den Schatten eines Ständers mit Skianzügen im Sonderangebot, dass ich weiterhin sichtbar war und schritt dann durch die Haushaltsgeräteabteilung, bog zwar plötzlich, aber nicht zu schnell zum Ausgang Richtung U-Bahn ab, so, dass es zwar aussah, als wollte ich mich verstecken, es aber doch einfach war, mir zu folgen. Was für ein Spaß! Jemand verfolgte mich, der Verlag hatte seine Emissäre ausschwärmen lassen.
    Bald erreichte ich die LaSalle Street und bezog Stellung gegenüber dem Hochhaus von Rutherford & Gold. Wer immer dieses Gebäude entworfen hatte, hatte keinerlei Aufwand betrieben, um zu beschönigen, dass es sich um ein langweiliges Bürohochhaus handelte. Eine lieblos an das Stahlskelett geschraubte Glasfassade bedeckte die ungefähr 30-stöckige verspiegelte Front. Nur über der Drehtür, die immer mehr Bankmenschen in das Gebäude schaufelte, waren die Scheiben nicht

Weitere Kostenlose Bücher