Das War Ich Nicht
sind hier nicht so. Obwohl ich bei einer Bank arbeite, bin ich eigentlich ganz ... «
» ... menschlich geblieben?«, fragte ich mit einer Ironie, die mir viel zu dick aufgetragen erschien. Doch er sagte:
»Ja.« Und lächelte.
»Ja.«
»Ich bin Übersetzerin. « »Gebrauchsanweisungen oder eher Reden?« »Henry LaMarck, wenn dir das was sagt.« »Schon mal gehört.«
»Aber noch nichts gelesen?«
»Doch, natürlich«, sagte er, überlegte lange und sagte dann: »Wie ist der denn so?«
»Sehr nett. Ein brillanter Autor. Ich habe alle seine Bücher übersetzt«, sagte ich hastig und wollte schon Richtung WC verschwinden, da griff er hektisch in seine Hosentasche:
»Muss mal kurz was checken.«
Ich tat einen Schritt zur Seite. Er hatte sich so hingestellt, dass ich das WC für einen Moment aus dem Auge verloren hatte. Ich musste Ruhe bewahren. Henry konnte es unmöglich so schnell aus dem WC zum Ausgang geschafft haben. Und dieser Mensch vor mir würde bestimmt bald gehen. Für jemanden, der sich mittags Zeit nehmen konnte, sah er viel zu gestresst aus.
»Ich war in Gedanken, deswegen habe ich das nicht gehört, mit dem Americano. Habe gerade einen meiner Mitarbeiter gerettet. Seinen Fehler auf meine Kappe genommen, und jetzt weiß ich nicht, ob das richtig war. Mitleid kann man sich hier eigentlich nicht leisten ... Oh!« Er sprang zur Theke, so abrupt, als sei ihm auf der windigen LaSalle Street ein Geldschein heruntergefallen, und griff seinen Becher, bevor die Frau an der Getränkeausgabe auch nur »America« sagen konnte. Dann sprang er genauso hastig zurück, den Becher in der Hand, als sei auch ich im Begriff wegzuwehen, was ich eigentlich auch gern getan hätte.
»Ich bin Jasper. « »Meike.«
»Hallo, Meike. Ich arbeite hier. Als Trader.« »Börsenhändler ?«
Er holte sein Handy heraus, sah auf die Anzeige, drückte mir seinen Kaffee in die Hand und tippte. Das war einer dieser BlackBerrys. »Neue Marktdaten«, sagte er. »Ich bin Europaspezialist. Finanzwerte. Muss im Blick behalten, was heute besonders gehandelt wird: HSBC, UBS, HomeStar, für den Fall, dass ... «
HomeStar - der Name kam mir bekannt vor. Natürlich, das war die Bank, die mir für den Kauf meines Hauses in Tetenstedt einen Kredit gegeben hatte.
»Die würde ich nicht kaufen«, sagte ich. »Wen?«
»HomeStar. Die geben Kredite an Leute, die sie nicht bezahlen können.«
»Das ist doch der Trick. Alle anderen haben ja schon welche.«
»Ich weiß nur, dass die sehr unvorsichtig sind.«
»Vorsicht braucht doch kein Mensch«, sagte er. So hatte ich sie mir immer vorgestellt, diese Superbanker, die ihrer Sache so sicher sind, dass sie sich für gar nichts schämen. Die Tür zum WC öffnete sich, jemand anders kam heraus.
»Ich bin von da drüben, Rutherford & Gold«, sagte er und steckte sein Handy wieder ein, dessen Anzeige durch den Stoff der Hose noch einige Sekunden leuchtete.
»So?«, sagte ich und wollte zu den WCs gehen. Keine Ahnung, was ich dort getan hätte, aber eines wusste ich: Ich wollte raus aus diesem Gespräch. Deutsche im Ausland sind das Schlimmste.
JASPER
»Mitleid kann man sich hier eigentlich nicht leisten.« Ich hatte das wirklich gesagt. Diese ganze Viertelstunde war wie eine einzige Ansammlung von misslungenen, durch die Schrottpresse zu hässlichen Würfeln gepressten Sätzen.
Was Unprofessionelleres, als ihr von Jeff zu erzählen, gab es wirklich nicht. Hoffentlich hatte sie mir nicht zugehört, immerhin hatte sie fast die ganze Zeit über mich hinweg in die Ferne geschaut, so wie ich auf dem Foto in der Chicago Tribune.
Sie gehörte hier nicht rein, das war klar. Auf den ersten Blick.
Sie trug Jeans. Und unter dem Mantel eine Bluse - als hätte sie nur kurz raus gewollt, um Milch zu kaufen, und sich dann nach Chicago verlaufen. Daran änderten auch der Schal und die Mütze der White Sox nichts.
Wie gern hätte ich mich so cool verhalten wie der erfolgreiche Banker, der ich bald sein werde. Aber welcher wirklich erfolgreiche Typ lässt sich schon in der Mittagspause seinen Kaffee klauen? Welcher erfolgreiche Typ macht überhaupt Mittagspause?
Da standen wir nun. Ich hatte schon viel zu lange nichts mehr gesagt. Vielleicht sollte ich ihr erzählen, warum. Dass ich Angst hatte, noch mehr dummes Zeug zu reden. In der Men's Health hatte ich mal gelesen, dass Frauen Männer mit Selbstironie mögen, Beispiel: Hugh Grant. Ich glaube das nicht. Frauen mögen Hugh Grant ganz allgemein, aber das
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